VorwortAuf der Couch mit Isabel Allende
Fünfundzwanzig Jahre Interviews mit Isabel Allende oder: Wie es dazu kam, über ein Vierteljahrhundert hinweg mit der »Königin der lateinamerikanischen Literatur« im Austausch zu bleiben. Gesprächsmarathon über ein Leben, das mehr als einmal »stranger than fiction« war und es immer noch ist.
Isabel Allende sitzt neben uns auf einem Sofa mit weißen Polstern. Wobei: Sitzen trifft es nicht ganz. Man versinkt eher in oder zwischen den Polstern. Wir treffen uns in ihrem Arbeitshaus, wie sie es nennt, im kalifornischen Sausalito, direkt gegenüber von San Francisco auf der nördlichen Seite der Bay gelegen. Das holzverkleidete viktorianische Haus ist auch Sitz der nach ihr benannten Stiftung. Ihr Wohnhaus steht im etwa fünfzehn Kilometer nördlich gelegenen San Rafael. Allende trägt bei unserem Gespräch eine weinrote Bluse, dazu einen dunkelroten Rock. Ihre Beine hat sie seitlich angewinkelt und neben sich auf die Polster gezogen. Ihren Kopf stützt sie mit der rechten Hand, der Arm ist lässig auf das Rückenpolster gelehnt. Für ein Interview ist es eine ungewöhnliche, aber sehr entspannte Sitzhaltung. Es wirkt ein bisschen so, als habe sie uns eingeladen, mit ihr ihren Lieblingsfilm zu gucken oder einfach zwanglos bei einer Tasse Tee zu plaudern. In diesem Fall nimmt das Interview oft Züge eines, nennen wir es, locker-therapeutischen Sofa-Gesprächs an. Bei dem sie selbst jedoch immer wieder darauf achtet, dass es zu wechseln kommt. Es ist keineswegs so, dass ausschließlich Isabel Allende diejenige ist, die über all jene Traumata, Brüche und Zeitenwenden in ihrem Leben spricht, die ihr immer wieder den Stoff für ihre Romane lieferten. Nein, sie dreht den Spieß gerne um, konfrontiert die Fragesteller mit Sätzen wie diesen: »Es kommt natürlich immer darauf an, auf was für einen Partner man steht, also: welchen Typ man gerne datet. Ich weiß ja nicht, wie ist das bei Ihnen?« Solche Volten kommen meist unverhofft, mal sind sie kokett, mal witzig, aber immer verblüffend.
In einem unserer Gespräche stellt sie eine besondere Gegenfrage: Nachdem sie zuvor weit ausgeholt, über die Bedeutung ihrer Träume gesprochen hat, hält sie plötzlich inne. »Langweile ich Sie? Dann müssen Sie mir das sagen und mich stoppen«, sagt sie und lacht, »denn ich möchte Sie auf gar keinen Fall langweilen.« Das ist in diesem Augenblick keine Koketterie, auch keine gespielte Unsicherheit. Es ist ein Satz, der uns in Erinnerung geblieben ist. Weil er zeigt, dass Isabel Allende so gar nichts Divenhaftes an sich hat. Was man vielleicht erwarten würde von der erfolgreichsten Schriftstellerin Lateinamerikas, von einer Starautorin, die mehr als72 Millionen Bücher weltweit verkauft hat, die zudem als feministische Ikone gefeiert wird.
Trotzdem sind wir, als uns diese bereits zu Lebzeiten zur literarischen Legende stilisierte kleine Frau auf dem Sofa fragt, ob sie uns langweilen würde, erst mal perplex. Denn ihre Antworten und Schilderungen sind sehr vieles: temperamentvoll, überbordend, scharfsinnig, meinungsstark, bewegend, verstörend, leidenschaftlich, und sehr oft auf nahezu unanständige Weise brüllend komisch. Nur langweilig, das sind sie ganz und gar nicht.
Diese Gesprächsepisode zeigt auch, dass Journalisten stets darauf achten müssen, die nötige Distanz zu wahren, wenn sie Isabel Allende interviewen. Weil sie ein sehr für sich einnehmendes Wesen hat, und weil sie, wenn sie merkt, dass ihr Gegenüber vorbereitet ist, sehr gut darin ist, eine »Wir sind ja hier unter uns und können offen reden«-Atmosphäre entstehen zu lassen. So kann es passieren, dass sie einem bei den obligatorischen Interview-Beweisfotos schon mal beide Hände mütterlich auf die Schultern legt. Einfach so. Nicht ohne die Journalisten vorher gebeten zu haben, doch am besten auf einem Stuhl vor ihr Platz zu nehmen. Mit ihrer Körpergröße von1,55 Metern muss sie kreativ sein, um auf Foto