: Isabel Allende, Martin Scholz
: Ich habe tausend Geschichten in mir Gespräche mit Martin Scholz
: Kampa Verlag
: 9783311705185
: 1
: CHF 17.10
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Isabel Allende gilt als erfolgreichste Schriftstellerin Lateinamerikas. Inspiration für ihre Romane ist häufig ihr eigenes, turbulentes Leben. In Peru geboren, wuchs sie in Chile auf und erlebte 1973 den Militärputsch hautnah mit, bei dem sich ihr Onkel, der damalige Präsident Salvador Allende, das Leben nahm. Als linksgerichtete Journalistin und Frauenrechtlerin, die beispielsweise die feministische Zeitschrift Paula gegründet hatte, musste sie 1975 vor dem Pinochet­-Regime nach Venezuela fliehen. Im Exil schrieb Allende ihren ersten Roman Das Geisterhaus, der sie über Nacht weltberühmt machte. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann emigrierte Allende in die USA, wo sie bis heute lebt. Vor einigen Jahren kündigte sie an, in Rente zu gehen - um dann zu bemerken, dass sie auf das Glück, das sie im Schreiben findet, nicht verzichten kann. Martin Scholz traf die Schriftstellerin mehrmals über zwei Jahrzehnte hinweg, meist in ihrem mit Bücherregalen vollgestopften Haus in Sausalito, Kalifornien. Neben ernsten Themen wie Allendes Flucht aus der Heimat geht es in den Gesprächen auch um die Ursprünge und den Wandel des Feminismus, die Besonderheiten der Liebe im Alter oder die Inspiration für ihr erotisches Kochbuch: Antonio Banderas, der ihr im Traum erschienen ist.

Isabel Allende, geboren 1942 in Lima, Peru, ist eine der ­erfolgreichsten Schriftstellerinnen der Welt. Sie arbeitete als Journalistin und engagierte sich schon früh für Frauenrechte. Allendes Bücher wurden millio­nenfach verkauft und in mehr als vierzig Sprachen übersetzt. Sie lebt mit ihrer ­Familie in Kalifornien.

VorwortAuf der Couch mit Isabel Allende


Fünfundzwanzig Jahre Interviews mit Isabel Allende oder: Wie es dazu kam, über ein Vierteljahrhundert hinweg mit der »Königin der lateinamerikanischen Literatur« im Austausch zu bleiben. Gesprächsmarathon über ein Leben, das mehr als einmal »stranger than fiction« war und es immer noch ist.

Isabel Allende sitzt neben uns auf einem Sofa mit weißen Polstern. Wobei: Sitzen trifft es nicht ganz. Man versinkt eher in oder zwischen den Polstern. Wir treffen uns in ihrem Arbeitshaus, wie sie es nennt, im kalifornischen Sausalito, direkt gegenüber von San Francisco auf der nördlichen Seite der Bay gelegen. Das holzverkleidete viktorianische Haus ist auch Sitz der nach ihr benannten Stiftung. Ihr Wohnhaus steht im etwa fünfzehn Kilometer nördlich gelegenen San Rafael. Allende trägt bei unserem Gespräch eine weinrote Bluse, dazu einen dunkelroten Rock. Ihre Beine hat sie seitlich angewinkelt und neben sich auf die Polster gezogen. Ihren Kopf stützt sie mit der rechten Hand, der Arm ist lässig auf das Rückenpolster gelehnt. Für ein Interview ist es eine ungewöhnliche, aber sehr entspannte Sitzhaltung. Es wirkt ein bisschen so, als habe sie uns eingeladen, mit ihr ihren Lieblingsfilm zu gucken oder einfach zwanglos bei einer Tasse Tee zu plaudern. In diesem Fall nimmt das Interview oft Züge eines, nennen wir es, locker-therapeutischen Sofa-Gesprächs an. Bei dem sie selbst jedoch immer wieder darauf achtet, dass es zu wechseln kommt. Es ist keineswegs so, dass ausschließlich Isabel Allende diejenige ist, die über all jene Traumata, Brüche und Zeitenwenden in ihrem Leben spricht, die ihr immer wieder den Stoff für ihre Romane lieferten. Nein, sie dreht den Spieß gerne um, konfrontiert die Fragesteller mit Sätzen wie diesen: »Es kommt natürlich immer darauf an, auf was für einen Partner man steht, also: welchen Typ man gerne datet. Ich weiß ja nicht, wie ist das bei Ihnen?« Solche Volten kommen meist unverhofft, mal sind sie kokett, mal witzig, aber immer verblüffend.

In einem unserer Gespräche stellt sie eine besondere Gegenfrage: Nachdem sie zuvor weit ausgeholt, über die Bedeutung ihrer Träume gesprochen hat, hält sie plötzlich inne. »Langweile ich Sie? Dann müssen Sie mir das sagen und mich stoppen«, sagt sie und lacht, »denn ich möchte Sie auf gar keinen Fall langweilen.« Das ist in diesem Augenblick keine Koketterie, auch keine gespielte Unsicherheit. Es ist ein Satz, der uns in Erinnerung geblieben ist. Weil er zeigt, dass Isabel Allende so gar nichts Divenhaftes an sich hat. Was man vielleicht erwarten würde von der erfolgreichsten Schriftstellerin Lateinamerikas, von einer Starautorin, die mehr als72 Millionen Bücher weltweit verkauft hat, die zudem als feministische Ikone gefeiert wird.

Trotzdem sind wir, als uns diese bereits zu Lebzeiten zur literarischen Legende stilisierte kleine Frau auf dem Sofa fragt, ob sie uns langweilen würde, erst mal perplex. Denn ihre Antworten und Schilderungen sind sehr vieles: temperamentvoll, überbordend, scharfsinnig, meinungsstark, bewegend, verstörend, leidenschaftlich, und sehr oft auf nahezu unanständige Weise brüllend komisch. Nur langweilig, das sind sie ganz und gar nicht.

Diese Gesprächsepisode zeigt auch, dass Journalisten stets darauf achten müssen, die nötige Distanz zu wahren, wenn sie Isabel Allende interviewen. Weil sie ein sehr für sich einnehmendes Wesen hat, und weil sie, wenn sie merkt, dass ihr Gegenüber vorbereitet ist, sehr gut darin ist, eine »Wir sind ja hier unter uns und können offen reden«-Atmosphäre entstehen zu lassen. So kann es passieren, dass sie einem bei den obligatorischen Interview-Beweisfotos schon mal beide Hände mütterlich auf die Schultern legt. Einfach so. Nicht ohne die Journalisten vorher gebeten zu haben, doch am besten auf einem Stuhl vor ihr Platz zu nehmen. Mit ihrer Körpergröße von1,55 Metern muss sie kreativ sein, um auf Foto