: Guy de Maupassant
: Bel-Ami Roman
: Reclam Verlag
: 9783159622811
: Reclam Taschenbuch
: 1
: CHF 9,70
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 427
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit Charme und List zum Erfolg Trotz der kurzen Zeit seines literarischen Schaffens zählt Guy de Maupassant zu den größten französischen Erzählern des 19. Jahrhunderts. Mit dem Journalisten Georges Duroy, von den Frauen »Bel-Ami« genannt, hat er den unvergänglichen Typus des großen Verführers geschaffen. Ein Karrierist ohne Skrupel, der sich durch Intrigen vom kleinen Mitarbeiter einer Eisenbahngesellschaft bis zum wohlhabenden Chefredakteur einer großen Pariser Tageszeitung hochkämpft. In seinem zweiten und besten Roman zeichnet Maupassant ein ebenso ironisches wie seinerzeit skandalöses Sittenbild der Pariser Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. 1885 erschienen, wurde Bel-Ami in unzählige Sprachen übersetzt und gilt heute als einer der großen Romane der Weltliteratur. - Mit einer kompakten Biographie des Autors. »Flaubert hat ihn entdeckt, Zola gefördert, Tolstoi bewundert, Turgenjew verehrt und Tschechow geliebt.« Marcel Reich-Ranicki über Guy de Maupassant

Guy de Maupassant (1850-1893) verfasste beinahe 300 Novellen und mehrere Romane. Inspiration für seine Werke bot ihm sein ausschweifendes Leben. Nach einem missglückten Selbstmordversuch starb er in einer psychiatrischen Klinik in Paris. Ernst Sander (1898-1976), Schriftsteller und Übersetzer u. a. von Guy de Maupassant, Honoré de Balzac, Gustave Flaubert und Georges Simenon.

Erster Teil


I


Als die Kassiererin ihm auf sein Hundertsousstück herausgegeben hatte, verließ Georges Duroy das Restaurant. Da er von Charakters wegen und als ehemaliger Unteroffizier gern den Schneidigen spielte, drückte er die Brust heraus, zwirbelte den Schnurrbart mit einer soldatischen, ihm geläufigen Geste und warf auf die noch verweilenden Speisenden einen raschen Rundblick, einen jener Blicke, die eine Eigentümlichkeit hübscher Kerle sind und die wie die Schnabelhiebe eines Sperbers wirken.

Die Frauen hatten zu ihm hingeblickt, drei kleine Arbeiterinnen, eine Klavierlehrerin unbestimmten Alters, schlecht frisiert, vernachlässigt, mit stets staubigem Hut und stets verrutschtem Kleid, sowie zwei Ehefrauen aus dem Mittelstand mit ihren Männern, Stammgäste dieser Kneipe zu festen Preisen.

Auf dem Gehsteig blieb er einen Augenblick stehen und überlegte, was er jetzt anfangen solle. Es war der28. Juni, und es waren ihm bis zum Ende des Monats noch gerade drei Francs vierzig in der Tasche verblieben. Das bedeutete zwei Abendessen ohne Mittagsmahlzeit, oder zwei Mittagsmahlzeiten ohne Abendessen, die Wahl stand ihm frei. Er berechnete, dass die mittäglichen Mahlzeiten ihn zweiundzwanzig Sous kosten würden, die abendlichen jedoch dreißig; also würden ihm, wenn er auf die Abendessen verzichtete, ein Franc zwanzig übrig bleiben, und das stellte zwei weitere, aus Brot und Wurst bestehende Mahlzeiten und überdies zwei Bier auf dem Boulevard dar. Das war seine Hauptausgabe und sein Hauptvergnügen nach Anbruch der Dunkelheit; und so begann er die Rue Notre-Dame-de-Lorette hinabzuschlendern.

Er schritt einher wie in den Tagen, da er die Husarenuniform getragen hatte, Brust heraus und ein bisschen breitbeinig, als sei er gerade abgesessen; und er ging rücksichtslos durch die menschenerfüllte Straße; er streifte Schultern und stieß die Passanten an, um nicht ausweichen zu müssen. Den ziemlich abgetragenen Zylinder trug er ein wenig schief auf dem Kopf; seine Hacken traten kräftig auf das Pflaster. Er wirkte, als wolle er durch den Schick eines gutaussehenden Soldaten, der ins Zivil geraten war, in einem fort jemanden oder etwas herausfordern, die Vorübergehenden, die Häuser, die ganze Stadt.

Zwar hatte sein Anzug nur sechzig Francs gekostet; aber dennoch war er von einer gewissen auffälligen, ein bisschen gewöhnlichen, jedoch tatsächlich vorhandenen Eleganz. Er war groß, gut gebaut, blond, von einem ins Rötliche spielenden Kastanienblond, hatte einen hochgedrehten Schnurrbart, der ihm auf der Lippe zu schäumen schien, hellblaue Augen, die eine sehr kleine Pupille durchstach, sein Haar war von Natur aus gelockt und in der Mitte gescheitelt, und so ähnelte er halbwegs den Taugenichtsen in Hintertreppenromanen.

Es war einer jener Sommerabende, an denen es in Paris an Luft mangelt. Die Stadt war heiß wie ein Dampfbad; sie schien im erstickenden Dunkel zu schwitzen. Die Abflusslöcher hauchten aus ihren granitenen Mäulern ihren Pest-Atem,