: Beate Absalon
: Not giving a fuck Von lustlosem Sex und sexloser Lust: gesellschaftlichen Zwang überwinden und lebendige Intimität finden
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218013413
: 1
: CHF 17.00
:
: Gesellschaft
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Endlich keinen Sex mehr! Der Druck, großartigen Sex haben zu müssen, ist heute allgegenwärtig. Beate Absalon lädt dazu ein, ihn abzuschütteln und Möglichkeiten eigensinniger und erfinderischer Lust auszuloten. Der Sex kann einem leidtun. Er wäre ein Refugium für gegenseitiges Wohltun und nutzlose Verrücktheiten - aber er ist zum verkrampften Projekt geworden, das unbedingt gelingen muss, damit auch wir als gelungen gelten, selbst da, wo wir es queer-feministisch schon besser machen. Doch Sex ist nicht die Antwort auf die Frage, womit sich Sex befreien lässt. Auf der Suche nach Entstressung blickt Beate Absalon kulturhistorisch fundiert auf die abgeschiedene, aber nur vermeintliche Gegenseite des Sexuellen: Unlust, Asexualität, Zölibat und Dysfunktion, die der sexuellen Dienstpflicht genüsslich den Gehorsam verweigern und unerhörte Spielräume öffnen.

Als Kulturwissenschaftlerin arbeitet Beate Absalon zu zeitgenössischer Sexualkultur. Theorie mit Praxis verbindend, bietet sie unter dem Label 'luhmen d'arc' Workshops zu sexuellen Spielformen an, in denen Mehrdeutigkeiten, soziopolitischen Zusammenhängen und nicht-kathartischen Gefühlen (wie Unbeholfenheit, Schüchternheit, Faulheit) lustvoll Aufmerksamkeit geschenkt wird.

UNLUSTIGER SEX, SEXLOSE LUST


„Ronnie, ich denke, du bist nur wegen der Seilrutsche hier“, enttarnt die Bachelorette der DatingshowSummer Loving einen der Kandidaten. Während alle anderen Männer mit ihren Sixpacks und Verführungskünsten um die Gunst der attraktiven Junggesellin buhlen, scheint Ronnies einziges Begehr darin zu liegen, sich möglichst oft mit der Seilrutsche in den Pool der Villa zu schwingen. Die Elimination würde sein Herz brechen. Ronnie und die Zipline, das ist die wahre Romanze des Sommers.

Zu schön, um wahr zu sein. Die Szene ist in Wirklichkeit ein Sketch aus der Comedy-SendungI Think You Should Leave und verpasst den Begehrensstrukturen von Reality-TV-Sendungen einen Knick. Sonst dreht sich in ihnen alles um das hochgeschaukelte Drama von Paarungswilligen, die bei ihrer Traumpartnersuche viel rummachen, eifersüchtig werden, Rivalitäten auskämpfen. Entscheidendes Kriterium: Sexappeal. Doch warum sollte gerade der die höchste Anziehungskraft haben? Warum nicht eine ebensolche Obsession hegen für die Seilrutsche samt vergnüglichem Platscher ins kühle Nass? Wie unverschämt, den Sex nicht so wichtig zu nehmen. Wie unanständig, ihm seine Strahlkraft streitig zu machen. Wie queer, etwas anderes noch anziehender zu finden. Der Sketch wirkt auf mich wie Eukalyptusbalsam. Erfrischt atme ich auf. Anscheinend liegen mir die banalen Hyperinszenierungen von der Alleinherrschaft des Sex schwer auf der Brust. Die Parodie pustet das frei, indem sie so herrlich irritierend mit dem Erwarteten bricht. Und sie erwärmt auch mein Herz und spendet Trost.

Ronnie, ich fühl’s! Seilrutschen sind geil. Und von genau dieser anarchischen Lust will ich mehr sehen. Mehr Bilder, mit denen dem Big Player Sex Konkurrenz gemacht wird, unbeeindruckt von seinem mächtigen Gravitationsfeld, das sonst immer alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. So geizig, der Sex. Dabei wird über die Lust doch genau das Gegenteil gesagt, dass sie richtungslos wuchere und schäume, mit allem und allen was am Laufen habe. Wo sind ihre Spendierhosen hin?

Ich mache mich auf die Suche. Mit Ronnies libidinöser Besetzung der Seilrutsche beginnt meine Sammlung selten