Der Letzte seiner Art, ohne eigenes Land oder Krone, Erinnerungen weggespült von den Wellen.
MACEY
Antimetaboliten, Alkylierende Zytostatika, Topoisomerasen.
Ich ziehe einen großen Strich über meinen Schreibblock und schalte meine Musik lauter. Kalter Nordwind peitscht über den Bahnhof und ich muss das Papier mit einer Hand festhalten, damit es nicht wegweht.
Aus dem Strich wird eine Tabelle mit Wirkstoffen, Einsätzen, Nebenwirkungen und Risikofaktoren. Aus der Tabelle ein Graph, dünne karierte Blätter, beidseitig vollgeschrieben mit blauem Kugelschreiber. Formeln, die sich in ellenlangen chemischen Begriffen verhaken, Zitate aus Aufsätzen und gigantische Fragezeichen, die sich über den ganzen Seitenrand ziehen.
Eine mathematische Zusammenfassung meiner Sorgen.
Ich versuche meinen Block glatt zu streichen, aber das Deckblatt ist bereits zerrissen und in der Spirale zeichnen sich Dellen ab. Die Kassette in meinem alten Walkman wechselt zuMy Iron Lung von Radiohead, doch noch bevor Thom Yorkes wehklagende Stimme einsetzen kann, wird das Lied von einem Ruf übertönt.
»Macey? Ayo, Macey, hier bin ich!«
Instinktiv beuge ich mich tiefer über meinen Schreibblock.Runterschauen, einfach weggucken.
»Mann, es ist sauschwer, dich zu finden! Wo warst du nur den Sommer über?«
Ich presse die Lider fest zusammen, als könnte ich so Zeit gewinnen, aber als ich die Augen öffne, steht Alister vor mir. Irgendwie hat er es geschafft, sich durch die anderen Schüler am Bahnsteig zu quetschen, ohne dabei über einen der Rucksäcke zu stolpern. Alister wedelt einen Flyer vor meinem Gesicht, der fast so zerknittert aussieht wie er selbst.
»Du bist genau die Person, die ich gesucht habe! Alles gut bei dir, Pal, alles bestens? Gespannt auf den ersten Schultag?« Beim Anblick meines Blocks runzelt er die Stirn. »Mathe?«
»Chemie.«
»Genauso schlimm, ey. Gibt die Hillburn euch etwa über die Sommerferien Hausaufgaben auf?«
Er klopft mir gegen die Schulter und sieht auf meine Schuluniform herab. Im Meer an grünen St.-Mary’s-Pullovern sticht sie hervor wie ein wunder blauer Fleck. Fast alle Jugendlichen in Glenfield Park nehmen den Zug zur öffentlichen St. Mary’s Grammar School, ich bin die Einzige, die auf die Hillburn Secondary geht. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum Alister überhaupt mit mir spricht.
Seufzend setze ich meine Kopfhörer ab.
»Vorbereitungsaufgaben für Cambridge«, lüge ich.
»Krass, Mann. Ist das alles, was du die Ferien über gemacht hast? Lernen?« Er lacht. »Und dann noch freiwillig?«
Ich zucke mit den Schultern.
Tatsächlich gibt es eine Menge Dinge, die ich diesen Sommer getan habe. Zum Beispiel imFigaros zu arbeiten und mich während meiner Schichten zu