Die Krisen unserer Zeit
Die Auswirkungen und die Nebeneffekte der Globalisierung sorgen dafür, dass politische und wirtschaftliche Krisen heute Einfluss auf die sehr persönlichen Chancen und Entscheidungen nehmen – fast unabhängig davon, wo auf dem Planeten sie auftreten. Ob ein Investor nun selbst direkt involviert ist oder nicht: Krisen wirken sich oft auf die sehr individuelle Realität jedes Einzelnen aus.
Unter Umständen kann es schnell gehen, dass das eigene Sicherheitsgefühl einen Knacks bekommt. Rasch tauchen Fragen auf: Bin ich finanziell auf Krisen gut genug vorbereitet und habe ich mein Vermögen bestmöglich gegen Krisen abgesichert? Oft wirft eine Krise gar die eigene Lebensplanung durcheinander.
2020 verkündete die Lufthansa, ein Gründungsmitglied des Deutschen Aktienindex DAX, rund 22.000 Vollzeitstellen fast von heute auf morgen zur Disposition zu stellen. Der Konzern stieg aus dem DAX ab und verlor rund 500 Millionen Euro im Monat aufgrund der Coronakrise, die überraschend den Flugverkehr und die Reisebuchungen fast vollständig zum Erliegen brachte. Rasant wurde der ganze Globus von dieser Krise in Geiselhaft genommen. Es war eine plötzliche, massive Krise für ein Unternehmen, das lange auch als sicherer Hafen für Angestellte galt. Wer bei der Lufthansa war, hatte zuvor immer einen guten und recht sicheren Job. Und plötzlich ergab sich aus nur einer massiven Veränderung felsenfest sicher geglaubter Rahmenbedingungen eine unmittelbare Krise: global, für die Lufthansa und für die 22.000 Angestellten, die entlassen werden sollten. Das verunsicherte sicher auch viele Mitarbeiter, die zunächst bleiben durften, und bedrohte ihre individuellen Ziele.
Man sprach nicht nur mit Blick auf Deutschland und seine DAX-Unternehmen von der weltweiten Coronakrise; und diese kam schnell, plötzlich und heftig. Und sie war gekommen, und sie wird wie jede Krise auch wieder gehen.
»Klumpenkrisen«: So nennen Soziologen Zeiten, in denen mehrere als krisenhaft empfundene Ereignisse sich häufen. Die Coronapandemie und der Ukrainekrieg sind als solche besonders lehrreich, um Krisen in ihren wiederkehrenden Strukturen zu erkennen.
2022 intensivierte sich der Ukrainekrieg, gerade als sich die Wirtschaft und die Menschen anschickten, sich von den Auswirkungen der Coronakrise ein Stück weit zu erholen. In Folge der von vielen Staaten gegen Russland verhängten Sanktionen wurden Rohstoffe in Europa knapp und teurer. Der Zusammenbruch der weltweiten Lieferketten durch die Coronakrise sorgte zu dieser Zeit immer noch für ein geringeres Konsumangebot, die Krisen schaukelten sich noch auf.
In vielen Wirtschaftsräumen, beispielsweise in den USA und in Deutschland, erreichte die Inflation innerhalb weniger Monate Höchststände. Zwei solcher Krisen zeitgleich hatte es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.9 Es zeigte sich, dass solche großen, politischen und wirtschaftlichen Krisen, die man seit Jahrzehnten überwunden glaubte, schnell und massiv wiederkehren konnten. Ähnliche Auswirkungen hatten zuletzt die Nachkriegszeit und die Ölkrise der 70er-Jahre gezeigt.
Nicht zuletzt die starke Geldmengenausweitung der Europäischen Zentralbank EZB befeuerte die Inflation in den jüngsten Krisen auf über 10 Prozent. Die Kombination aus einem verringerten Angebot an Wirtschaftsgütern und Rohstoffen sowie einer erhöhten Nachfrage trug ebenfalls dazu bei. Und die Inflation wirkte.
Wer 100.000 Euro an Geldvermögen hatte, musste in einem Jahr rund 10.000 Euro zusätzlich beiseitelegen, nur um den Kaufkraftverlust eines einzigen Jahres auszugleichen – ohne daran denken zu können, noch real einen Vermögensaufbau zu betreiben.
Plötzlich sahen sich fernab von Ukraine oder Russland Sparer und Geldanleger, die Vermögen auf der hohen Kante hatten, mit massiven Geldwertverlusten und schwindender Kaufkraft aufgrund der Inflation konfrontiert. Komplexe Krisen haben häufig aber im Wesentlichen eine Konsequenz: Laut einer Studie der R+V Versicherungen bestand 2022 die größte Angst der Deutschen in den steigenden Lebenshaltungskosten. Auf Platz 2 und 3 folgten unbezahlbarer Wohnraum und eine allgemein schlechtere Wirtschaftslage.10 Man kann die Top-3 der Ängste aber auch zusammenfassen: Es herrscht(e) schnell Angst um den eigenen Wohlstand. Und dadurch waren beziehungsweise sind die eigenen Ziele bedroht.
Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher: Die individuelle Inflation traf dabei Haushalte mit geringem Einkommen und/oder niedrigem Vermögen in ihren Auswirkungen übermäßig stark. Die anteilige Belastung der einkommensschwächsten Haushalte bei der damaligen Inflationsentwicklung war nahezu fünf Mal so hoch wie bei den einkommensstärksten11, jedenfalls relativ berechnet. Reales Vermögen zu haben, kann außerordentlich beruhigen.
Stimmen wurden laut, die sinngemäß sagten: Wir müssen uns in Deutschland und Europa darauf einstellen, unseren jetzigen Wohlstand ein Stück weit zu verlieren!12 Solche Aussagen wollte wohl niemand gern von den Politikern des eigenen Landes in den Nachrichten vernehmen.
Und so klar, wie lange zuvor nicht, war folgende Tatsache:
Große Krisen werden schnell zu individuellen Sorgen und Herausforderungen. Wirtschaftliche Krisen bedrohen die Ziele eines jeden Individuums.
Und wieder war das eigene Vermögen, sofern vorhanden, der Rettungsanker in der Krise.
Dass Krisen kommen, ist sicher – aber sie müssen nicht jeden kalt erwischen
Solche Krisen im Großen gab und gibt es immer wieder – vielleicht und hoffentlich nicht immer so gebündelt wie in den drei Jahren 2020 bis 2022. Aber: Das wirtschaftliche un