: Kate Dark, Stuart Smith, Astrid Miglar, Anne Hechenberger, Gina Grimpo, Karin Helbig, Hartmut Holger
: Wie ich das Ende der Welt (üb)erlebte 29 der besten, fiesesten und bizarrsten apokalyptischen Kurzgeschichten rund um den Weltuntergang
: Elysion Books
: 9783960003229
: 1
: CHF 3.50
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: Anthologien
: German
: 280
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
29 der besten, fiesesten und bizarrsten apokalyptischen Kurzgeschichten rund um den Weltuntergang - und um das bisherige Überleben. Folgt uns zu Klimakatastrophen, Sintfluten, Dürren und kontinentalen Veränderungen, zu Epidemien, freigesetzten Zombie-Viren und dem Krieg gegen Ameisen. Lasst euch von Killer-Weizen überwuchern, von gemeinen Pilzen verzehren oder von leckerer Zuckerwatte ersticken. Schließlich stirbt man nur manchmal - oder eben doch nicht? Wenn ihr auf Nummer Sicher gehen wollt, begegnet euch einfach selbst oder nutzt eine ferngesteuerte Selbstmordkabine. Aber Vorsicht! Manche Fernsteuerungen und PC-Programme haben Schwachstellen, virtuelle Spiele sind tückisch und die 0 ist sowieso böse. Auch vor Begegnungen mit höheren Wesen, Dämonen und Alien wird gewarnt. Lasst euch lieber göttlich Entrücken oder vom Handy verzücken. Geht fröhlich und gut gelaunt und rosa drauf oder findet heraus, dass ihr eine Lebensmittelallergie habt - gegen alles. Also trinkt eine Margarita, geht auf den Jahrmarkt, nehmt ein Sonnenbad und füttert Tauben bis ihr steril werdet. Es hilft sowieso alles nichts, Jeffrey ist immer der Täter.

1. Ein Leben im Stand-By


Kate Dark

 

Im Jahr 2018 gab es laut einer Studie mehr als 14.000 Atomwaffen weltweit. Vermutlich hätte jeder, der nach der Ursache für das Ende der Welt gefragt worden wäre, lautstark Atomwaffen gerufen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass es Geräte und Apps waren, die die Kontrolle übernahmen. Sie versklavten die Menschen zu einer unfähigen Spezies und stürzten sie in eine Abhängigkeit, aus der sich niemand befreien konnte.

Und das alles gesteuert von nur einer Person ...

 

Schweiß rann über Sidneys Rücken. Ihre Beine waren schwer und sie hatte das Gefühl, gar nicht mehr vorwärtszukommen. Immer wieder trat sie in die Schlaglöcher der Straße und geriet dadurch ins Stolpern.

»Scheiße«, fluchte sie und ruderte mit den Armen, das tote Kaninchen dabei fest umklammernd, das sie aus einer Tierhandlung gestohlen hatte. Hunderte Male war sie diesen Weg schon gelaufen. Ausgerechnet heute stand sie neben sich und war konzentrationslos.

Sidney warf einen Blick über die Schulter, darum bemüht, die Beine schneller laufen zu lassen. Nicht weit hinter ihr kamen die Smombies, eine Mischung aus Smartphone und Zombies, immer näher. Sie lauerten überall – versteckt in Büschen, hinter Bäumen und dunklen Gassen, angezogen durch die natürlichen Bewegungen und Geräusche eines nicht infizierten Menschen. Nun ja, das und die Tatsache, dass Sidneys Gesicht sowie das ihres kleinen Bruders überall aufploppte, wenn eine App gestartet wurde.

Sie waren Abtrünnige, die geschnappt werden mussten.

Gleich geschafft! Sid sah schon das Gelände. Das kleine Reich, welches sie und ihr Bruder errichtet hatten. Der einzige Ort, an dem sie halbwegs sicher waren. Aufgebaut wie eine kleine Insel, gänzlich umgeben von Wasser und einem Maschendrahtzaun. Sie sprang in den Graben und sog zischend die Luft ein. Das Wasser war eiskalt. Wieso hatte Charlie nicht die kleine Brücke ausgelegt? Ihr Herz setzte für einen Schlag aus und hämmerte dann doppelt so schnell. Sidney schwamm die wenigen Meter zum anderen Ufer und zog sich an Land. Schwer atmend blieb sie auf dem Rücken liegen.

Sidney wusste, dass die Smombies am anderen Ufer standen. Nur ein paar Meter entfernt. Lauernd. Gierig. Bereit, die verbliebenen Gesunden mit Apps und Digitalisierung zu infizieren. Und doch war nichts zu hören. Sie richtete sich auf und starrte die Menschen an – vertieft in ihre Smartphones und Tablets. Geistig nicht mehr in der Lage, eigenständig zu denken und zu handeln. Sie vergaßen alles – sogar das Sprechen.

Sie erkannte Doc Harris, der vor zwei Jahren noch einen Hausbesuch bei ihnen gemacht hatte, um nach Granny zu sehen; Misses Duney, ihre ehemalige Geschichtslehrerin; Freddy, ein Freund ihres jüngeren Bruders Charlie. Eins hatten alle gemeinsam: die dunklen Ringe unter den Augen, den apathischen Blick und die kurze Aufmerksamkeitsspanne. Sie wussten schon gar nicht mehr, weshalb sie überhaupt hier waren. Hatten es einfach vergessen, weil sie verlernten, ihren Verstand zu benutzen.

»Ob sie in ihren Suchmaschinen nachsehen, wie sie den Graben überqueren können?« Charlie legte ihr eine Decke über die Schultern und setzte sich zu ihr.

Sid stieß ein Schnauben aus. »Das haben sie mit Sicherheit schon. Sie sind nur nicht mehr in der Lage, das Gelesene zu verarbeiten und umzusetzen. Warum hast du die Brücke nicht ausgelegt?«

Charlie senkte beschämt den Kopf. »Ich hatte Angst einzuschlafen und dann nicht mitzubekommen, wenn einer vondenen kommt.«

Eine Weile beobachteten sie schweigend, wie die Smombies sich entfernten, kreuz und quer liefen, ohne auf ihr Umfeld zu achten. Sie stießen sich gegenseitig an und blickten nicht mal von den kalt leuchteten Displays ihrer Geräte auf. Es hielt sie gefangen und zog sie immer tiefer in das bodenlose Loch der Abhängigkeit.

»Gott, das ist so krank«, murmelte Charlie. »Es wundert mich, dass sie nicht längst verhungert sind.«