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Mia
6. Mai
EINE MINUTE VOR MEINEM TERMIN bei Professor Santoro schlittere ich ins Bragg Science Center. Unpünktlichkeit kommt bei ihr gar nicht gut an, also sprinte ich mit zwei Stufen auf einmal die Treppe hoch bis in die fünfte Etage. War wohl keine so gute Idee, gestern Abend noch etwas trinken zu gehen mit Erin, einer Kommilitonin aus dem Fachbereich Physik, die schon im letzten Studienjahr ist. Natürlich ist es nicht bei ein paar Drinks geblieben. Ich war mal wieder leichtsinnig und bin anschließend bei ihr gelandet. Dafür kriege ich jetzt die Quittung.
Definitiv die Quittung. In der dritten Etage bleibt mir schon die Luft weg und ich muss erst mal stehen bleiben. Mein Kopf dröhnt, als würde er permanent mit einem Vorschlaghammer bearbeitet. Und die Nummer war es nicht mal wert. Viel zu viel Spucke.
Aber ich hatte schon immer so glorreiche Ideen. Explosive Experimente im Chemielabor der St. Catherine Academy. Lagerfeuer-Partys am Waldrand meiner Heimatstadt in South Jersey. Schnelle Nummern in begehbaren Kleiderschränken, leeren Klassenräumen oder Toilettenkabinen. Und in letzter Zeit fällt mirbesonders viel Glorreiches ein.
Weil es leichter ist, mich Hals über Kopf in irgendwelche Affären zu stürzen und in meiner Freizeit von einer Party zur nächsten zu hetzen, als pausenlos anihn denken zu müssen.
Sebastian Miller-Callahan. Entsetzlich nett. Entsetzlich gut im Bett. Entsetzlich gut im Baseball – auch das noch! Mit Sportlern wird es nämlich immer schwierig.
Mal ganz abgesehen davon, dass er der Bruder des festen Freundes meiner besten Freundin Penny ist. Ich kann ihm also nicht ständig aus dem Weg gehen. Auf lange Sicht wird der strahlende Baseball-Gott Teil meines Lebens bleiben, daran können noch so viele Affären nichts ändern.
Über einen Monat lang habe ich versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Trotzdem wünsche ich mir manchmal, ich wäre eine andere. Wäre ich ein nettes Mädchen und würde Sebastian verdienen, hätte ich vielleicht nicht die Flucht ergriffen, als sein Bruder wegen irgendeiner Baseball-Kappe in sein Zimmer hereinplatzte, als wir gerade richtig loslegen wollten.
In der fünften Etage angekommen streiche ich mir die Haare glatt und hetze über den Flur. Ich bin verkatert und habe mehr Liebeskummer, als ich zugeben möchte. Aber nachdem ich die Stelle als studentische Mitarbeiterin im Labor von Professor Santoro ergattert habe, obwohl ich erst ins dritte Studienjahr komme, wäre es ja wohl das Allerletzte, sie sausen zu lassen! Auf der Highschool habe ich mir dafür den Hintern aufgerissen: an der McKee in einer der Top-fünf-Fakultäten für Astronomie studieren und im Labor unterkommen, die Chance auf echte Forschungsarbeit und eine hoffentlich lange Karriere, bei der ich die Sterne betrachten kann – und mich für ein Auslandsstudium in Astrophysik an der Universität von Genf bewerben.
Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich mich in den Weltraum verliebt habe. Natürlich sind mir die Sterne schon immer aufgefallen, aber erst bei einem Lagerfeuer im Sommerurlaub mit meiner Familie habe ich sie wirklichwahrgenommen. Mein Nonno war immer der Träumer in einer ansonsten praktisch veranlagten Familie. Er brachte ein Teleskop mit an den Strand, und während alle anderen lachend um das Feuer herumsaßen und Wein aus Pappbechern tranken, bin ich ihm in die Dünen gefolgt.
»Wollen wir doch mal sehen, ob wir einen Planeten finden«, sagte mein Großvater, während er das Teleskop aufstellte. »Vielleicht können wir den Mars oder Jupiter erkennen. Jetzt ist die beste Zeit für Sternengucker.«
Durch das Teleskop zum Himmel hinaufzuschauen, kam mir vor wie Magie. Selbstverständlich konnten wir die Planeten erkennen, auch den Saturn. Mit großen Augen klebte ich förmlich an dem Teleskop.
»Eines Tages«, sagte er, als er mit den Händen in den Taschen seiner Leinenhose so andächtig zum Him