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Mühle am Steinbach bei Goldacker, jetzt
Drei Einschusslöcher in drei Bäumen. Eine Reihe den Hang hinauf, ganz in der Nähe des Weilers Goldacker, bei der alten Mühle am Steinbach. Die zuständige Polizeistation hatte den Vorfall gemeldet.
Die Bäume standen an einem markierten Lehrpfad. Schilder erzählten die Geschichte der Entstehung von Pyrit, Kalkspat, Blei-Selen-Erz und Gold in den tiefsten Schichten des Schiefergesteins. In der alten Mühle befanden sich ein Museum und seit Neuestem auch die »Goldmühle«.
Sabine Kaufmann war bereits vor Ort gewesen, weil man beimLKA eine mögliche Gefahrenlage festgestellt hatte. Bei der routinemäßigen Suche nach verdächtigen Inhalten im Netz waren ihre Kollegen beimLKA Wiesbaden auf eine Anzeige im Darknet gestoßen, in der ein spektakulärer Fund zum Kauf angeboten wurde: Goldbarren mit aufgeprägtem Reichsadler und Hakenkreuz. Nazigold, das angeblich bei einem der hektischen Transporte zu Kriegsende auf dem Weg von der Reichsbank in Berlin nach Süddeutschland abgezweigt worden und in ein Versteck in Hessen gebracht worden war. So weit die Beschreibung.
Die Bilder, die es dazu gab, waren unscharf. Die Barren konnten ein Fake sein, davon gab es im Netz reichlich, oder das ganze Angebot war eine Finte, zusammengebastelt aus alten Fotos und leeren Versprechungen. Falls es aber tatsächlich ein echter Fund sein sollte, wäre der meldepflichtig, und der Schatz durfte nicht privat verkauft werden. Dass es sich um Stücke mit eindeutigen Nazisymbolen handelte, erhöhte die Brisanz.
Der Anbieter hatte sich mehrfach hier in der Region in unterschiedliche offeneWLANs eingeloggt, das hatten die Kollegen von derIT in mühevoller Kleinarbeit herausgefunden, in Bärental, in Goldacker, in einem Restaurant unten am Edersee. Zudem wechselten dieIP-Adressen und verschleierten die Identität des Verkäufers. Die Website selbst wurde auf einem Server auf den Philippinen gehostet, deren Betreiber keine Informationen herausrückten. Wer einen der Barren erwerben wollte, musste ein Angebot abgeben, seine Kontaktdaten hinterlegen und hoffen, dass sich der Anbieter bei ihm meldete. Außerdem solle das ernsthafte Interesse belegt werden, indem man Bilder schickte, die bewiesen, dass man zum »inneren Zirkel« gehörte – was auch immer damit gemeint war. Die Kollegen desLKA hatten einige Lockangebote gestartet, ohne Erfolg. Offenbar hatten sie nicht den richtigen Ton getroffen, oder die Wohnzimmer, die man mit Nazidevotionalien aus der Asservatenkammer bestückt hatte, waren nicht überzeugend gewesen. Vielleicht war auch die Sache mit dem »inneren Zirkel« anders gemeint gewesen?
Sabine Kaufmann war gemeinsam mit ihrer neuen Kollegin Lynn Burger hierhergekommen. Lynn hatte die Polizeischule mit Bestnoten absolviert und sich aufIT spezialisiert. Offenbar war sie gut, sonst hätte sie nicht mit Mitte zwanzig eine Chance im Landeskriminalamt bekommen.
Auf jeden Fall war sie sympathisch. Auch wenn es einen Altersunterschied von fünfzehn Jahren gab, konnte Sabine sich vorstellen, dass Lynn eine echte Freundin werden könnte. Davon hatte sie nach wie vor nur wenige. Petra Wielandt aus Bad Vilbel vielleicht, und Julia Durant in Frankfurt. Doch die Kontakte waren so sporadisch, dass es vermutlich übertrieben war, von Freundinnen zu sprechen.
Lynn stammte aus Wiesbaden, schien jedoch auch nicht über einen nennenswerten Freundeskreis zu verfügen. Warum, hatte Sabine noch nicht herausgefunden.
Seit zwei Wochen verfolgten sie die Spur des Nazigold-Anbieters, bislang ohne Erfolg. Ihr Chef hätte die Sache schon fast abgeblasen, doch dann waren demLKA weitere Auffälligkeiten von den örtlichen Polizeistationen gemeldet worden. Ebenfalls am Edersee, in den Ortsbezirken Bärental und Goldacker.
Das eine Problem betraf die amtierende Ortsvorsteherin von Bärental, Laura Erdmann-Janssen. Sie hatte in den letzten Wochen mehrere anonyme Drohbriefe erhalten, bis hin zu Todesdrohungen. Man verlangte, dass sie umgehend ihr Amt niederlegte.
Das zweite Problem stand mutmaßlich mit dem ersten im Zusammenhang. Es ging um eine Gruppe junger Leute, die offenbar einer rechtsextremen Ideologie anhingen. Sie nannten sich »Die Schutzmacht« und veranstalteten Trainingscamps in einem Waldstück nahe Goldacker. Weil sich der Wald im Privatbesitz befand, konnte man das nicht verbieten. Der Eigentümer hatte auf Nachfrage erklärt, dass es nur ein Zeitvertreib seines Neffen sei. Nichts, w