1. KAPITEL
Cristiano De Angelis saß abgeschirmt in seinem angenehm kühlen Mercedes, während er durch seine Sonnenbrille das hektische Treiben auf den Straßen betrachtete. Sengende Hitze ließ die Luft flirren, Autos fuhren Stoßstange an Stoßstange. Diesen Teil Roms kannte er genauso gut wie sein Penthouse in London, wo er den größten Teil des Jahres lebte. Ab und zu nahm er sich jedoch die Zeit, seine Familie in Italien zu besuchen. Als Spross einer der reichsten italienischen Familien, war er in Rom aufgewachsen und zur Schule gegangen, ehe er in England sein Studium begonnen hatte. Obwohl er gern in seine Heimatstadt kam, verspürte er auch ein Gefühl der Enge, selbst wenn er nur eine Woche blieb. Und er war jedes Mal ein wenig erleichtert, wenn er in das eher anonyme London zurückkehrte.
Stirnrunzelnd dachte er an das Gespräch, das er eben mit seiner Mutter und seinem Großvater geführt hatte. Gemeinsam hatten sie in dem luxuriös ausgestatteten Speisezimmer im Haus des Großvaters zu Mittag gegessen. Im Laufe der Unterhaltung war wieder einmal deutlich geworden, wie sehr sie beide sich Nachkommen von Cristiano wünschten.
Seine Mutter hatte ihm händeringend dargelegt, es sei ihr größter Wunsch, dass er endlich sesshaft werden und sein Glück finden sollte. Sein Großvater hingegen hatte seine nachlassende Gesundheit und sein Alter ins Spiel gebracht, als ob er schon ein klappriger Greis wäre und nicht ein rüstiger achtundsiebzigjähriger Mann, dessen schiere Präsenz schon Aufmerksamkeit einforderte.
„Ich kenne da ein sehr hübsches Mädchen“, hatte seine Mutter gesagt und dann innegehalten, um zu ergründen, ob ihre lässig hingeworfene Bemerkung auf fruchtbaren Boden gefallen war. Doch Cristiano ging nicht darauf ein. Obwohl er wusste, dass er eines Tages eine passende Frau heiraten musste, war er jetzt noch nicht bereit dazu. Entschieden war er bei seinem Standpunkt geblieben. Denn hätte er auch nur einen Moment geschwankt, hätten sie sofort eine ganze Liste möglicher Kandidatinnen ins Spiel gebracht.
Ein amüsiertes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, während er die Sonnenbrille abnahm und die Menschen betrachtete, die in Scharen durch die Straßen mit ihren eleganten Designerläden schlenderten. Als hätten sie das Wort Kreditkrise noch nie gehört.
Schließlich klopfte er an die gläserne Trennscheibe und teilte seinem Chauffeur Enrico mit, dass er ihn hier herauslassen könne.
„Bringen Sie den Wagen zu mir nach Hause“, sagte Cristiano. Auch wenn ihm die Aussicht auf einen Spaziergang in der sengenden Sommersonne nicht sonderlich behagte und er lieber in dem angenehm kühlen Mercedes sitzen geblieben wäre, wollte er bei dem dichten Verkehr nicht noch mehr Zeit verlieren. „Ich muss etwas für meine Mutter abliefern. Und wenn ich die Seitenstraßen nehme, bin ich schneller, als wenn Sie mich hinfahren. Ich nehme mir dann ein Taxi nach Hause.“
„Aber Sir, die Sonne …“
Enrico war schon seit Cristianos Kindertagen Chauffeur der Familie. Und ihm behagte es gar nicht, dass Cristiano sich der Hitze aussetzen wollte.
„Ich bin doch keine alte Jungfer, die gleich in Ohnmacht fällt, Enrico“, gab er trocken zurück. „Eine halbe Stunde werde ich da draußen wohl aushalten. Und sehen Sie sich doch all die Menschen an, die durch die Straßen bummeln. Sie scheinen auch nicht unter der Temperatur zu leiden.“
„Das sind ja auch Frauen, Sir. Sie sind von Natur aus in der Lage, bei jedem Wetter einen Einkaufsbummel zu machen, ohne dass sie in irgendeiner Weise Schaden nehmen …“
Cristiano lächelte immer noch, als er in die gleißende Helligkeit hinaustrat, die Augen wieder geschützt hinter der Sonnenbrille. Auch wenn er die Blicke der Frauen spürte, an denen er vorbeiging, ignorierte er sie. Er wusste, sollte er seine Schritte verlangsamen, würde es nicht lange dauern, bis eine langbeinige, dunkelhaarige Schönheit der Gesellschaft sich ihm nähern würde. Obwohl er nicht mehr ständig in dieser Stadt lebte, war er in gewissen Kreisen wohlbekannt. Seine Besuche in Rom verliefen selten ohne hoffnungsvolle Einladungen von Frauen, die sich um ein Treffen mit ihm bemühten, auch wenn sie normalerweise keinen Erfolg damit hatten. Denn trotz der Vorwürfe seiner Mutter war er sehr wählerisch. Und während er die belebte Einkaufsstraße verließ, erinnerte ihn seine Haltung Frauen gegenüber wieder an ihre Versuche, ihn zu verkuppeln. Noch mit keiner Frau war er längere Zeit ernsthaft zusammen gewesen, auch wenn er gegen die Ehe per se nichts einzuwenden hatte. Und ein Leben ohne Kinder konnte er sich auch nicht vorstellen, obwohl er diesen Punkt eben mit einer unwirschen Handbewegung abget