2. KAPITEL
Offenbar bemerkte Mrs. Caldwell ihre Bedrückung, denn sie wechselte abrupt das Thema. „Werden auf der Ausstellung eigentlich auch die Miniaturen Ihres Vaters gezeigt?“
„Ja, davon gibt es wirklich eine Menge, und einige von ihnen gelten als Dads beste Arbeiten.“
„Mir gefällt besonders die mit dem dunkelhaarigen Mädchen in der bezaubernden blauen Ballrobe aus Seide. Sie trägt doch so eine exquisite Perlenkette und hält etwas in der Hand, was wie eine Karnevalsmaske aussieht. Ein wenig erinnert sie mich an Sie, Liebes.“
Sophia wusste sofort, von welchem Bild Mrs. Caldwell sprach. Die dunkelhaarige Schöne ähnelte ihr wirklich sehr, aber Kleidung und Haartracht verrieten, dass sie lange vor ihrer Zeit gelebt hatte. Es sei die Kopie eines alten Gemäldes, das ihn einst fasziniert hätte, lautete die vage Erklärung ihres Vaters. Wen es darstellte, daran konnte er sich angeblich nicht mehr erinnern.
„Als ich Peter gegenüber meine Vorliebe für dieses Bild einmal erwähnte, gestand er mir, dass es auch sein Favorit sei …“, erzählte Mrs. Caldwell weiter und verstummte dann. „Ich vermisse ihn sehr“, fügte sie nach einer Pause hinzu. „Vor allem unsere Cribbage-Partien an den langen dunklen Winternachmittagen.“
„Ich weiß, dass er sie auch sehr genossen hat“, sagte Sophia weich und lächelte.
Die Augen ihrer Vermieterin glänzten verdächtig, als sie sich energisch die Nase schnaubte. „Also, wie geht es mit der Ausstellung voran?“, fragte sie dann.
„Alles ist für die Eröffnung morgen früh bereit.“
Solange die Paella im Ofen garte, plauderten sie wie gute Freundinnen über Kunst, Gott und die Welt. Und als das Essen auf dem Tisch stand, machte Mrs. Caldwell den frivolen Vorschlag, eine Flasche Wein für sie beide zu öffnen. „Ich habe noch einen ganz hübschen Vorrat“, kicherte sie vergnügt. „Ich denke, wir trinken einen Rioja und tun so, als dinierten wir in Spanien!“
Wenig später saßen sie am Tisch und prosteten einander zu, dann widmeten sie sich mit Hingabe der köstlich duftenden Paella, die Mrs. Caldwell zur besten ihres ganzen Lebens erklärte. Angerührt von ihrer aufrichtigen Begeisterung, schob Sophia die trübsinnigen Gedanken zur Seite und beschloss für sich, den Abend einfach zu genießen. Nachdem sie den Geschirrspüler ein- und die Küchenecke aufgeräumt hatte, spielten sie noch eine Runde Cribbage und tranken die Flasche Rioja aus. Als Sophia zufällig auf die Uhr sah, war es bereits nach elf.
„Lieber Himmel! Sie sollten längst im Bett sein!“
Mrs. Caldwell protestierte nur halbherzig, und mit ihren überschwänglichen Dankestiraden im Ohr ging Sophia über den Flur zu ihrer Wohnung, schloss die Tür auf und knipste das Licht an.
Als Erstes bemerkte sie das Schlüsselbund, das halb unter dem Küchentisch lag. Sie musste es beim Abstellen der Einkäufe heruntergeworfen haben. Sophia bückte sich, um es aufzuheben. Plötzlich spürte sie ein unbehagliches Kribbeln. Langsam richtete sie sich wieder auf und schaute um sich.
Alles schien in Ordnung und an seinem Platz zu sein. Doch ein sechster Sinn sagte ihr, dass etwas nicht stimmte. Aber was?
Immer noch zutiefst beunruhigt, verstaute sie das Schlüsselbund in ihrer Handtasche, wo es hingehörte, und legte die Ersatzschlüssel zurück ins Sideboard. Dabei glitt ihr Blick unablässig durch den Raum.
Jetzt sah sie es! Vor den Fenstern, die zur Straße hinausgingen, waren die Vorhänge zugezogen. Dabei wusste Sophia genau, dass sie sie nicht angerührt hatte.
In ihrem Nacken stellten sich die feinen Härchen auf, während ihre Gedanken sich überschlugen. Jemand musste in ihrer Wohnung gewesen sein, während sie Mrs. Caldwell bekocht hatte.
Ein Einbrecher? Nur, wie war er hereingekommen?
Die Hintertür verriegelte ein festes Schloss und wurde seit Ewigkeiten nicht benutzt, und vorn kam man nur ins Haus, wenn man klingelte oder einen Schlüssel besaß. Dennoch bestand nicht der leiseste Zweifel daran, dass jemand hier eingedrungen war. Vielleicht hielt er sich sogar noch immer in der Wohnung auf?
Allein die Vorstellung ließ Sophia schaudern. Tapfer gab sie sich einen Ruck, stieß mit der einen Hand die Badezimmertür auf, während sie mit der anderen gleichzeitig auf den Lichtschalter drückte. Ein Blick reichte, um sicherzugehen, dass sich hier niemand verbarg.
Dann öffnete sie die Tü