Luka
»Das wird die Hölle heute.« Mischa stand vor ihr und lachte, während er Luka in die kugelsichere schwarze Weste half, auf der in großen BuchstabenPRESS stand. Er zog die Schnallen an der Seite fest. »Was meinst du?«, fragte sie verunsichert und setzte den Helm auf, den er ihr reichte. »Erwartest du einen Angriff?«
Neben ihr quälte sich Bernd, der korpulente Kameramann, in seine Montur.
»Angriff?« Mischa grinste breit und stellte dabei eine Reihe unregelmäßiger Zähne zur Schau. »Nein! Hitze.« Er deutete in den blauen Himmel, in dem keine Wolke zu sehen war. »Wir haben Hitzewelle, ja? Achtunddreißig Grad später. Und mit Weste!« Er schnalzte mit der Zunge.
Luka zog das Band unter ihrem Kinn fest. Mischa hatte recht, die kugelsichere Weste war schwer und unbequem. Sofort spürte sie den Schweiß, der ihr in kleinen Rinnsalen den Rücken hinablief. Doch das Sicherheitsprotokoll sah es vor, sie fuhren nach Osten in unsicheres Gebiet. Mischa untersuchte, ob bei ihr und Bernd alles richtig saß, dann deutete er auf seinen kleinen Corsa.
»Wollen wir? Den Helm könnt ihr unterwegs absetzen.«
Sie stiegen ein, er ließ den Motor an, fischte eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche und zündete sich eine an. Sofort füllte sich der winzige Corsa mit Rauch.
Mischa lachte und schüttelte den Kopf, als könne er es selbst nicht glauben.
»Und morgen: vierzig Grad!«
Luka überlegte, ob sie das Fenster öffnen konnte, doch sie wollte nicht unhöflich sein. Die ersten Minuten waren bei solchen Einsätzen immer sehr wichtig, sie durfte Mischa auf keinen Fall verärgern. Sie brauchten ihn. Er machte einen netten Eindruck, zwar wirkte er jung für einen Stringer, unprofessionell in seinen zertretenen Sneakern und dem löchrigen T-Shirt. Doch so etwas täuschte oft, und sie hatte gehört, dass er der Beste in Kiew war, um Kontakte herzustellen zu Interviewpartnern, zu übersetzen, Drehgenehmigungen zu bekommen.
Hinter ihr hustete Bernd. Luka öffnete ihr Fenster einen Spaltbreit.
»Sag mal, wäre es ok, wenn ich …?«
Mischa blickte sie überrascht an. »Klar!«, rief er. »Klar!« Er nickte heftig und hielt die Zigarette hoch. »Sorry, ich kann nicht aufhören, es ist schlimm!« Er fummelte an der Konsole herum und drehte die Ventilation voll auf, warme Luft blies Luka direkt ins Gesicht.
Sie sah hinaus. Die Straßen Kiews waren voll. Studenten saßen in Straßencafés wie in Kreuzberg, Mütter schoben ihre Kinder durch die vielen Parks. Die Stadt war hügelig und grün, nicht unbedingt so, wie sie sich ein Land im Krieg vorgestellt hatte. Nur ein paar ausgebombte Panzer, die am Maidan abgestellt worden waren, zeugten hier im Zentrum von den Kämpfen, und Schilder mit der Aufschrift: »Kiew erwartet dich – nach unserem Sieg«.
Hoffentlich würde das Interview heute gut, sie musste liefern. Der Termin mit dem Kommandeur der Ost-Truppen war schwer zu bekommen gewesen, monatelang hatte sie mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium verhandelt. Sie legte den Helm in den Fußraum, zog ihren Laptop aus der Tasche, öffnete das Dokument mit den Fragen. »Wann genau sind wir mit dem Kommandeur verabredet?«
Mischa öffnete sein Fenster ein wenig und warf die Zigarette hinaus. Sie fuhren jetzt durch die Vororte Kiews, in einem Hochhaus klaffte oben ein schwarzes Loch.
»Heute nicht«, sagte er. »Klappt nicht. Gibt Probleme.«
»Probleme?« Luka spürte, wie der Schweiß auf ihrer Stirn hervortrat. Sie fischte ihr Handy aus der Tasche. Sie würde es Gregor beichten müssen, sofort, er rechnete für die Spätnachrichten mit dem Interview. Hatte der Sender es schon angekündigt?
»Ist es nur verschoben? Meinst du, dass wir morgen eine Chance haben?«
Mischa hob die Hände, um zu verdeutlichen, dass dies gänzlich außerhalb seiner Kontrolle lag. »Viele Kämpfe zurzeit. Ist unsicher. Vielleicht morgen, ich soll anrufen.« Er m