Und folgt dir keiner, geh allein!
Wer konsequent für die Wahrheit eintritt, ist oft allein. Unbequeme Wahrheiten haben keine Mehrheiten hinter sich. Ich war in meinem Leben viel allein. Manchmal dachte ich dann an Mahatma Gandhi, den großen Kämpfer für Frieden und Gewaltlosigkeit. Jahrelang wurde er verhöhnt, verspottet. In den Stunden totaler Einsamkeit sang er ein altes indisches Volkslied, das, frei übersetzt und gekürzt, lautet:
Fürchte die Einsamkeit nicht, wenn du die Wahrheit kennst! Geh allein! Gib nicht auf, wenn niemand deine Meinung achtet!
Auf deinem Weg wird es Stürme und Hindernisse geben. Halte an deinem Glauben fest. Eines Tages werden sie auf dich hören und deinen Ratschlägen folgen.
Warum ich tue, was ich tue
Das werde ich seit Jahrzehnten gefragt. Vor allem, wenn ich wieder einmal den Mainstream, die Diktatur der herrschenden Meinung, gegen mich habe. Und deshalb ausgelacht, beschimpft und manchmal auch ausgegrenzt werde. Merke ich denn nicht, dass ich mir damit vieles verbaue? Dass mein ganzes politisches Leben anders verlaufen wäre, wenn ich häufiger zu politischen Fehlentwicklungen geschwiegen hätte? Oder war ich wirklich ein unbelehrbarer, eitel-naiver Besserwisser, ein Israelfeind, ein Terroristen- und Diktatorenfreund, ein »Gutmensch« oder ein Populist? Konnte ich mich nicht wenigstens ab und zu taktisch klüger verhalten?
Musste ich wirklich – zusammen mit einem jungen Palästinenser – Strafanzeige gegen die deutsche Bundesregierung erstatten, als diese im Gazakrieg Waffen für den längst völkerrechtswidrigen Krieg Israels lieferte? Machte ich mich durch derartige Aktionen nicht automatisch zu einem Außenseiter, dem Anhänger des Mainstreams öffentlich gar nicht zustimmen konnten? Selbst dann nicht, wenn sie ähnlich dachten wie ich? Machte ich es meinen Freunden und Anhängern nicht verdammt schwer?
Warum setze ich mich überhaupt so heftig gegen Kriege und Waffenlieferungen ein, selbst wenn die herrschende Meinung des Westens wieder einmal erklärt, wenigstens dieses eine Mal noch müsse ein Krieg ausnahmsweise sein! Werde ich von fremden Mächten finanziert? Warum trete ich gegen den wachsenden islamophoben Rassismus selbst dann ein, wenn ein junger Migrant gerade wieder einmal eine besonders widerliche Gewalttat begangen hat? Bin ich heimlich zum Islam konvertiert?
Warum verschenkte ich den größten Teil meines Vermögens an vereinsamte alte Menschen, an Schwerstkranke oder an Kriegsopfer im Mittleren Osten und auch in Afrika? War das möglicherweise einfach ein geniales Finanzmodell? »Was ist Ihr steuerlicher Trick?«, fragte mich ein wohlmeinender Journalist. »Rechnet sich das?« Manche Gegner sprechen verschwörerisch vom »Modell Todenhöfer«, wenn sie erfahren, dass ich auch das Honorar meiner Bücher an Menschen in Not spende. Sie denken, ich würde durch das Verschenken meines Einkommens und meines Vermögens reich. Doch inzwischen besitze ich keine fünf Prozent mehr von dem, was ich einst besaß. Weil ich viel mehr verschenkt habe, als man in den Augen unserer Finanzbehörden verschenken sollte. Warum mache ich das alles? Warum lasse ich mich für all das auch noch öffentlich beschimpfen? Warum riskiere ich dafür immer wieder sogar mein Leben? Etwa in den achtziger Jahren gegenüber den sowjetischen Besatzern in Afghanistan. Bis heute erinnert mich der Splitter einer Kalaschnikowpatrone im linken Knie an die Beschießung in den Bergen des Hindukusch. Ähnliches passierte mir auch durch befreundete westliche Staaten. 2019 schossen mir im Gazastreifen israelische Sicherheitskräfte mit einem Hartplastikgeschoss in den Rücken, als ich dort gewaltfrei und respektvoll für ein besseres Miteinander von Israelis und Palästinensern demonstrierte. Für die goldene Regel westlicher, östlicher und auch israelischer Ethik, andere Menschen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden will. Drei schwere Schulteropera