I.Das »Weh der Welt«
Schweitzers Bekenntnis zu seiner Weigerung, ein vernünftiger Erwachsener zu werden, stammt aus seinem Buch über seine Kindheit und Jugend.11 Was man über diese frühe Zeit in seinem Leben weiß, kennt man hauptsächlich aus diesen persönlichen Erinnerungen. Er schrieb sie nieder, als er fast fünfzig Jahre alt war, kurz bevor er zum zweiten Mal nach Afrika aufbrach.
Damals ging eine schwere Zeit für ihn zu Ende, vielleicht die schwerste in seinem Leben. Seinen ersten Aufenthalt in Lambarene hatten er und seine Frau unfreiwillig aufgeben müssen, weil der Weltkrieg ausgebrochen war. Als Deutsche in der französischen Kolonie Gabun galten sie als feindliche Ausländer. Im September 1917 hatten sie das Land verlassen müssen und verbrachten Monate in französischen Lagern, ehe sie nach Kriegsende in ihre Heimat heimkehren durften. Im Elsass war die Situation für die Familie, zu der nun auch die Tochter Rhena gehörte, bedrückend. Schweitzer war krank und hatte viele Schulden bei der Pariser Missionsgesellschaft. Er konnte zwar als Vikar und Assistenzarzt in Straßburg arbeiten, aber das war nicht das Leben, das er auf Dauer führen wollte. Ob er je wieder nach Afrika würde gehen können, war ungewiss, ja eigentlich unwahrscheinlich.
Es war ein Licht am dunklen Horizont, als er eine Einladung nach Schweden, an die Universität Uppsala bekam. Die Vorlesungen, die er dort hielt, waren so erfolgreich, dass er weitere Angebote zu Vorträgen und Konzerten bekam. Schließlich konnte er mit den Einnahmen seine Schulden zurückzahlen, und er hatte so viele Unterstützer für sein afrikanisches Spital gewonnen, dass er seine zweite Reise vorbereiten konnte.
In dieser Zeit, im Mai 1922, war er in der Schweiz unterwegs. In Zürich, wo er den Zug wechseln musste, hatte er zwei Stunden Aufenthalt, den er nutzte, um seinen Freund Oskar Pfister zu besuchen. Pfister war Psychoanalytiker und Pfarrer, und er überre