Kapitel 1
Gottesdienst
Einstieg: Szenen aus der kirchlichen Praxis
Szenario 1:
»Gottesdienst als Mitte der Gemeinde« – das hat in der Petrusgemeinde einer Kleinstadt bis vor einigen Jahren noch recht gut funktioniert. Auch an einem ›normalen‹ Sonntag war die Kirche ziemlich gut besetzt mit älteren Menschen, Besucher*innen aus den verschiedenen Gruppen und Konfirmand*innen, die sich ihren Stempel abholen wollten. Mittlerweile sind viele der Älteren ins Pflegeheim gezogen, verstorben oder nicht mehr mobil genug. Manche der Gruppen gibt es nicht mehr und für viele Teilnehmer*innen der verbliebenen Gruppen ist der Sonntagsgottesdienst einfach nicht ihre Form, wie sie auf Nachfrage ehrlich sagen. Die Konfirmand*innen werden nicht mehr verpflichtet, sondern sollen in selbst gestalteten Jugendgottesdiensten die Chance bekommen, den Gottesdienst als lebendig und bedeutungsvoll für ihr Leben zu erfahren – und freiwillig kommen sie nicht in den traditionellen Gottesdienst.
Die Gründe für den gesunkenen Gottesdienstbesuch leuchten den Hauptamtlichen und dem Kirchengemeinderat ein. Es stellt sich jetzt aber die Frage: Was tun? Weitermachen wie bisher in immer kleinerer Zahl – oder etwas ändern? Und wenn ja, was?
Szenario 2:
In der Gemeinde St. Gertrud ist der Gottesdienstbesuch schon seit vielen Jahren gering. Der Dorfgemeinde war ihre Eigenständigkeit immer wichtiger als regionale Zusammenarbeit. Jede Woche soll ein Gottesdienst in der wunderschönen, vom Kirchbauverein aufwändig renovierten kleinen Dorfkirche stattfinden. Dafür nimmt die Gemeinde in Kauf, dass er schon um 8.45 Uhr beginnt, damit die für mehrere Gemeinden zuständige Pfarrerin danach noch zwei weitere Gottesdienste schafft. Drei bis vier Gemeindeglieder bemühen sich sehr, regelmäßig zu kommen, damit die Pfarrerin nicht alleine dort steht. Manchmal kommen einige Tourist*innen dazu, die sich dann ein wenig unbehaglich umsehen, aber der Kirche viele Komplimente aussprechen. In der Grippewelle im letzten Winter fiel der Gottesdienst schon mal mangels Beteiligung ganz aus. Die Pfarrerin fragt sich, ob dieser Gottesdienst nicht zu den Aufgaben gehört, die angesichts ihrer permanenten Überlastung vielleicht doch einmal wegfallen könnten, bringt es aber bisher nicht über das Herz, die treuen Gottesdienstbesucher*innen und den Kirchbauverein damit vor den Kopf zu stoßen. Glücklich ist jedoch niemand mit der Situation.
Szenario 3:
In der städtischen fusionierten Thomasgemeinde gibt es ein vielfältiges gottesdienstliches Angebot: Neben dem klassischen Gottesdienst am Sonntagmorgen, der einmal monatlich mit anderer Liturgie als Familiengottesdienst gefeiert wird, wird an jedem ersten Sonntag im Monat um 18 Uhr ein alternativer Gottesdienst »für Suchende« angeboten und ebenfalls jeden Monat ein Jugendgottesdienst, der die Konfis einbezieht. Ostermontag und Himmelfahrt werden Open-Air-Gottesdienste gefeiert, im Mai gibt es einen Motorrad-Gottesdienst und in der Passionszeit mittwochs um 20.30 Uhr meditative Gottesdienste. Die Gemeinde ist stolz auf ihre lebendige Gottesdienstkultur, von der sehr unterschiedliche Menschen angesprochen werden, und die bei Weitem nicht nur Gemeindemitglieder anzieht.
Nachdem allerdings die Pfarrstellen von vier auf zwei reduziert worden sind und nun die Diakonin für die Region zuständig ist, erweist sich diese Fülle von Gottesdiensten als Last für die Hauptamtlichen. Neben ihren vielen anderen Aufgaben gehen die Vorbereitung und Durchführung über ihre zeitlichen Grenzen. In der Vorbereitung m