: Christiane Stenger, Stephan Phin Spielhoff
: Nichts wird von alleine gut Warum wir eine neue Definition von Hoffnung brauchen, um die Krisen der Zukunft zu meistern
: Goldmann
: 9783641320027
: 1
: CHF 10.80
:
: Gesellschaft
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Hoffnung hat ein Problem. Gerade jetzt, wo wir sie am meisten brauchen, versagt sie. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass die Zukunft nicht besser werden wird als die Gegenwart. Das beweisen neuste Umfragen ganz klar: Über die Hälfte aller Jugendlichen weltweit ist inzwischen davon überzeugt, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist. Die Gegenwart scheint ausweglos. Inklusive Klimawandel, sozialer Ungerechtigkeit, Faschismus und Krieg. Diese Entwicklung ist unerträglich, denn für ein selbstbestimmtes und gelungenes Leben, ist Hoffnung eine unabdingbare Notwendigkeit. Aber damit wir wieder Hoffnung haben können, müssen wir zuerst verstehen, was Hoffnung überhaupt bedeutet und warum es so einfach ist, absolut falsch zu hoffen.

Christiane Stenger und Stephan Phin Spielhoff machen sich deshalb auf die Suche nach der Hoffnung, nach ihrem Ursprung, ihrem Werdegang und wollen wissen, wie konnten wir darauf hoffen, dass alles gut wird, und dann wurde nichts gut?! Die Hoffnung braucht ein Revival, denn sie ist viel mehr als reines Wunschdenken - sie ist unser einziges Werkzeug, mit dem wir schon jetzt für eine bessere Zukunft sorgen können und zwar für uns alle.

Stephan Phin Spielhoff ist Autor, Podcaster und Texter und lebt in Berlin. Er hat einen Master in Philosophie von der Freien Universität Berlin. Sein DebütromanDer Himmel ist für Verräter erschien 2019.

3. 
ein paar tausend jahre hoffnung – von hesiod bis kierkegaard


»I am half agony, half hope.«

– Jane Austen

Dass mit der Hoffnung etwas nicht stimmt, hätte allen Beteiligten eigentlich von Anfang an klar sein können. Wir denken an den Mythos der Pandora, der irgendwie, wenn wir uns richtig erinnern, so geht: Eine Frau (Pandora) wird von den Göttern erschaffen und zu den Menschen geschickt. Ihr wird eine Büchse gegeben, versehen mit der sehr eindeutigen Warnung, diese Büchse unter keinen Umständen jemals zu öffnen. Was Pandora natürlich nicht davon abhält, die Büchse zu öffnen, und heraus kommen sofort alle (ALLE!) Übel dieser Welt. Harte Arbeit, Tod, Depression, Krankheit – ein Who is Who der schlimmen Dinge. Aber, so will es der Mythos, noch bevor auch die Hoffnung aus der Büchse entwischen konnte, schließt Pandora den Deckel wieder, sodass die Hoffnung in der Büchse bleibt.

Hesiod schrieb diesen Mythos, der vorher nur mündlich weitergegeben wurde, Gebrüder-Grimm-Style um 700 v. Chr. das erste Mal auf:

»Aber das Weib [Pandora, Anm. d. Red.] hob jezo den mächtigen Deckel des Fasses
Rüttelte dann; daß den Menschen hervorging Jammer und Trübsal.
Dort die Hoffnung allein, in dem unzerbrechlichen Hause, Blieb inwendig dem Fasse zurück, tief unter der Mündung, Und nicht flog sie heraus: Denn zuvor schloß jene [wiederum Pandora, Anm. d. Red.] den Deckel.«[1]

Diese Geschichte ist inzwischen so tief verankert in der Psyche der Menschheit, dass wir uns kaum die Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, wie kryptisch dieser Anfang ist. So wird es oft als positiv gedeutet, dass die Hoffnung noch in der Büchse ist, wobei bereits ein Philosoph wie Friedrich Nietzsche darauf hinweist, dass genau dieser Tatbestand zeigt, wie bösartig die Hoffnung an sich ist:

»Für immer hat der Mensch nun das Glücksfaß im Hause und meint Wunder, was für einen Schatz er in ihm habe; es steht ihm zu Diensten, er greift darnach: wenn es ihn gelüstet; denn er weiß nicht, daß jenes Faß, welches Pandora brachte, das Faß der Übel war, und hält das zurückgebliebene Übel für das größte Glücksgut – es ist die Hoffnung. Zeus wollte nämlich, daß der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: Sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.«[2]

Die Gemengelage rund um die Hoffnung ist also von Anfang an, nun ja, unübersichtlich, widersprüchlich und geprägt von Fehlern und Ungereimtheiten. So war es überhaupt keine Büchse, die Pandora mitbrachte. Hesiod benutzte das WortPithos, was ein Tongefäß ist (in dem Zitat wird es, wie wir gemerkt haben, mit Fass übersetzt), indem normalerweise Lebensmittel aufbewahrt wurden. Erst der Universalgelehrte Desiderius Erasmus von Rotterdam machte in seiner SprichwörtersammlungAdagiorum Chiliades Tres 1508 aus dem griechischenPithos, ob absichtlich oder nicht lässt sich inzwischen nicht mehr nachvollziehen, ein lateinischesPyxis – eine Büchse.[3] Selbst das Wort, das Hesiod für die Hoffnung verwendet,Elpis (ἐλπίς), muss nicht unbedingt Hoffnung im heutigen Sinne bedeuten. Es kann auch einfach als Erwartung übersetzt werden oder sogar als die Erwartung von schlechten Dingen.

Und natürlich wird dieses Chaos nicht weniger chaotisch dadurch, dass es sich um eine griechische Mythe handelt, in der viele Götter ihre Finger mit im Spiel haben. Pandora war, das geht gern unter, die allererste menschliche Frau. Geschaffen auf Befehl