Kapitel 5
Wir waren etwa zwanzig Minuten in der Luft, als Briggs und Mullins uns informierten, wohin wir flogen – und warum.
»Wir haben einen Fall.« Mullins’ Stimme klang ruhig und kühl. Vor nicht allzu langer Zeit hätte sie noch darauf bestanden, dass es keinWir gab, dass Minderjährige, egal, wie talentiert, bei FBI-Ermittlungen nichts zu suchen hatten.
Vor nicht allzu langer Zeit war das Naturtalente-Programm auf ungelöste Fälle beschränkt gewesen.
In der Zwischenzeit hatte sich manches geändert.
»Drei Leichen in drei Tagen.« Briggs fuhr fort, wo Mullins aufgehört hatte. »Die örtliche Polizei hatte keinen Schimmer, dass sie es mit einem einzigen Täter zu tun hatte, bis heute Morgen eine erste Autopsie des dritten Opfers durchgeführt wurde. Sie haben sofort das FBI um Hilfe gebeten.«
Warum? Ich stürzte mich auf die Frage.Warum hatte die Polizei keine Verbindung zu den ersten beiden Opfern hergestellt? Und warum haben sie nach dem dritten Opfer so schnell das FBI angefordert? Je mehr mein Gehirn gefordert war, desto weniger konnte es zu der kürzlich entdeckten Leiche zurückkehren.
Zurück zu den tausend und einen Erinnerungen an meine Mutter.
»Unsere Opfer haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam«, fuhr Briggs fort, »abgesehen von der räumlichen Nähe und dem, was die Visitenkarte unseres UNSUBs zu sein scheint.«
Profilerinnen und Profiler verwenden den Begriff »Modus Operandi« – oder »M. O.« –, um die notwendigen und funktionalen Aspekte eines Verbrechens zu beschreiben. Aber eine Visitenkarte zu hinterlassen? Das war nicht funktional. Es war nicht notwendig. Und das machte es zu einem Teil der Handschrift unseres Unbekannten Subjekts, unseres UNSUBs.
»Was für eine Art Visitenkarte?«, fragte Dean. Seine Stimme war sanft, hatte aber diesen leichten Summton, also wechselte er bereits in den Profiling-Modus. Es waren die kleinen Details – die Art Visitenkarte, wo die Polizei sie gefunden hatte, was darauf stand –, die uns das UNSUB verstehen lassen würden. Signierte unser Mörder damit sein Werk oder übermittelte er eine Botschaft? Markierte er seine Opfer als seinen Besitz oder eröffnete er eine Kommunikation mit der Polizei?
Agent Mullins hob eine Hand, um Fragen abzuwehren. »Klären wir zunächst die Hintergründe.« Sie wandte sich an Briggs. »Fangen wir ganz von vorne an.«
Briggs nickte knapp, dann betätigte er einen Schalter. Ein Monitor im vorderen Teil des Flugzeugs leuchtete auf. Briggs drückte eine Taste und ein Tatortfoto erschien. Es zeigte eine Frau mit langen dunklen Haaren, die auf einem Betonboden lag. Ihre Lippen schimmerten bläulich. Ihre Augen waren glasig. Ein durchnässtes Kleid klebte an ihrem Körper.
»Alexandra Ruiz«, sagte Agent Mullins. »Zweiundzwanzig Jahre alt, Studentin der Beschäftigungstherapie an der Universität von Arizona. Sie wurde etwa zwanzig Minuten nach Neujahr mit dem Gesicht nach unten im Pool auf dem Dach des Apex-Casinos gefunden.«
»Das Apex-Casino.« Sloane blinzelte. »Las Vegas, Nevada.«
Ich wartete darauf, dass Sloane uns die Quadratmeterzahl des Apex oder das Gründungsjahr nennen würde. Fehlanzeige.
»Teuer.« Lia füllte die Lücke. »Vorausgesetzt, unser Opfer hat überhaupt im Apex gewohnt.«
»Hat sie nicht.« Briggs rief ein weiteres Foto auf, das neben dem von Alexandra eingeblendet wurde, diesmal von einem Mann Anfang vierzig. Er hatte dunkles Haar mit einem silbergrauen Schimmer. Es war ein Schnappschuss. Der Mann