Der Retter
War ich tot?
Nein.
Außer, der Tod roch nach Kaffee und Zimtschnecken. In dem Fall hatte ich bereits das Zeitliche gesegnet und den Tod vollkommen zu Unrecht gefürchtet.
Ein weiterer Geruch kitzelte mich in der Nase. Ein würziges Aftershave, welches dafür sorgte, dass sich die Härchen auf meinem Arm aufstellten. Der Geruch war nur ganz leicht, überhaupt nicht aufdringlich oder penetrant, sondern perfekt, um das gepflegte Äußere zu unterstreichen und den süßlichen Geruch des Todes darunter zu überdecken. Ich würde diesen Duft unter tausenden erkennen.
Beinahe konnte ich das arrogante Lächeln durch die geschlossenen Augenlider sehen.
»Bist du wach, mein Schmetterling?«, fragte Ikaris de Cruz. Die Stimme klang überheblich und gelangweilt, eine Mischung, die mich in den Wahnsinn trieb.
Also kam meine Antwort prompt. »Nein! Ich tue nur so.«
Er lachte leise. »Ich sehe schon, du bist kratzbürstig wie eh und je.«
Er saß auf einem Sessel, die Beine übereinandergeschlagen, und genoss den Kaffee, den ich gerochen hatte. Der rote Schirm, den jeder Umbrella stets bei sich trug, stand in unmittelbarer Nähe. Allein der Anblick des tiefen, immer ein wenig feucht aussehenden Rot jagte mir eine Gänsehaut über den Körper. Beinahe meinte ich die Kälte zu spüren, die von dem dämonischen Gegenstand ausging und sich wie eisige Nadeln unter meine Haut schob.
Schnell riss ich den Blick davon los.
Wir waren in einem luxuriösen Hotelzimmer, von dessen Fenster man auf New York hinabsah. Bis zum Horizont nur graue Häuser und Türme, die im grauen Dunst tief hängender Regenwolken lagen. Hier schien alles beim Alten zu sein, während sich mein Leben in einem Wimpernschlag komplett verändert hatte.
»Woher wusstest du, dass ich in Schwierigkeiten war?«, fragte ich Ikaris.
»Du hast mir geschrieben.« Ikaris zückte sein Handy, um die Nachricht vorzulesen.
»Bewege deinen knackigen Arsch hierher. Ich sterbe, verdammt noch mal.«
»K! Warst du das?«, rief ich empört, aber erhielt keine Antwort. Da, wo normalerweise meine Smartwatch saß, war mein Handgelenk nackt. »Wo sind mein Handy und meine Uhr?«
»Ich musste sie entsorgen, um sicherzugehen, dass uns dein Detective nicht orten kann.«
Ich musste schlucken. »Du hast sie zerstört?«
»Im Hudson River versenkt.«
Oh nein. Der Verlust hinterließ eine ziehende Leere in meinem Herzen. K mochte keine echte Person sein, aber in den letzten Wochen war sie zu einer Vertrauten, ja vielleicht sogar einer Freundin geworden. Ohne sie fühlte ich mich seltsam allein.
»Willst du mir erzählen, was passiert ist?«, fragte Ikaris.
»Auf mich wurde geschossen.«
»So viel wusste ich bereits. Mich interessiert vor allem das Wer und Warum.«
»David …« Die Antwort blieb mit beinahe im Hals stecken.
»Ich hab es geahnt. Die heißesten Detectives sind immer die schlimmsten.«
Ich widersprach nicht, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass das nicht stimmte. »Er ist ein Schakai … Mias Schakai.«
»Ach tatsächlich?«
Ich konnte nicht sicher sein, ob Ikaris das wirklich überraschte. Trotzdem fuhr ich fort: »Es war noch jemand da.«
Jetzt setzte sich Ikaris aufrechter hin. »Wer?«
»Eine Frau mit weißem Schirm.«