: Marie Aubert
: Eigentlich bin ich nicht so | Ein Roman, in dem wir uns wiederfinden: Familie ist Wahnsinn und Liebe zugleich.
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644012851
: 1
: CHF 19.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Familie ist Wahnsinn und Liebe zugleich. Es ist das Konfirmationswochenende von Linnea. Die Tischkarten liegen bereit, die Familie ist geladen, aber die Zusammenkunft verheißt nichts Gutes. Hanne, Linneas Tante, plant die Rückkehr in ihr Heimatdorf als großen Triumph. Sie ist nicht mehr zu Hause gewesen, seit sie damals «die Dicke» war. Inzwischen lebt sie in der Großstadt und führt eine glückliche Beziehung mit einer Frau. Zu Hause angekommen wird sie mit voller Wucht von der Vergangenheit eingeholt. Linneas Vater Bård ist der erfolgreiche Mann, der immer die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Als plötzlich alles anders läuft als geplant, gerät sein Leben aus den Fugen. Und Opa Nils will einfach nur gut sein. Doch was passiert, wenn gut nicht gut genug ist? Eigentlich bin ich nicht so ist ein so scharfsinniger wie unterhaltsamer Familienroman über die Angst vor den Blicken anderer, aber auch über die Sehnsucht, gesehen und geliebt zu werden. Und über das Risiko, andere Menschen in das eigene Leben zu lassen.

Marie Aubert, geboren 1979 in Oslo, debütierte 2016 mit dem Erzählband «Kann ich mit zu dir», der in Norwegen zum Bestseller avancierte und von der Presse gefeiert wurde, ebenso wie «Erwachsene Menschen», ihr erster Roman.

Freitag


BÅRD


Noch zwei Tage, dann liegen die Karten offen. Vielleicht auch drei.

Nach der Arbeit fahre ich bei meinem Vater vorbei, um mir für Sonntag einen Klapptisch zu borgen. Ich muss ihn selbst in der Garage suchen, während mein Vater von draußen zuguckt, nicht mal abgewischt hat er den Tisch.

«Schönes Wetter», sagt er und nickt.

Ich schiebe Fia zur Seite, die hechelnd um meine Beine schwänzelt. Die Kinder liegen mir schon seit Jahren in den Ohren, dass sie einen Hund wollen, aber ich sage Nein, Ende der Diskussion.

«Streng genommen ist es ziemlich kalt», sage ich. «Für Mai.»

«Streng genommen», erwidert mein Vater grinsend.

«Ja, sonst ist es wärmer um die Zeit.»

Wir verstauen den Tisch im Kofferraum, ich muss die Rückbank umklappen. Ich sammle Eispapier von den Kindern ein, entdecke eine Basecap, die Sivert, glaube ich, schon gesucht hat, und ein dickes buntes Haargummi, bestimmt von Linnea.

«Na schön», sagt mein Vater. «Hattet ihr denn vor, Sonntag draußen zu feiern?»

«Nee», antworte ich. «So optimistisch sind wir nicht.»

Ich trete von einem Bein aufs andere, will endlich los.

«Musst bestimmt noch viel erledigen», sagt mein Vater mit diesem schiefen Halblächeln, bei dem mir die Kopfhaut juckt, klar muss ich das, klar muss man viel erledigen, bevor man die Bude voll hat. Er selbst hat Zeit ohne Ende und macht sich hier oben einen lauen Lenz, allein mit seinem dicken Labrador.

«Ja, ja», sagt er wieder, als ich nicht antworte. «Die Kinder werden groß.»

«Allerdings», erwidere ich.

«Schade, dass Sissel das nicht mehr erlebt», sagt er.

Ich drehe mich um und steige in den Wagen.

«Wann sollen wir heute Abend da sein?», fragt er.

«So um halb acht», antworte ich.

Er nickt und erklärt dann, er habe das Souterrain aufgeräumt, damit sie dort schlafen können.

«Schöne Grüße», sagt er, während ich mich anschnalle. «Wobei, wir sehen uns ja sowieso später.»

 

Mit dem Klapptisch im Kofferraum fahre ich nach Hause, vorbei an Feldern mit Blick auf den gesamten Ort. Heute ist die Luft so klar, dass ich bis zu den Neubauten am Kai sehen kann. Ich biege in die Siedlung ein und parke das Auto in der Garage. Unser Haus ist das schönste. Um den Garten hat sich früher Mama gekümmert, auch nachdem sie hier aus- und wir eingezogen waren. Sie kam vorbei, ganz zufällig mit alten Gartenhandschuhen in der Handtasche, und jätete die Beete und pflückte Äpfel von den beiden Apfelbäumen, wie