Entzückt betrachtete Marianne Garde die leibliche Gegend. Sie war jetzt sehr froh, dass sie von der Autobahn abgebogen war, um ein Stück auf der Landstraße zu fahren. So lernte man die Gegend besser kennen und konnte sich auch ein besseres Bild von der Bevölkerung machen. Die kleinen Orte, durch die sie jetzt fuhr, machten einen gemütlichen und sehr sauberen Eindruck.
Der Raum Württemberg war ihr bisher ziemlich fremd gewesen.
Ihr Leben hatte sich fast ausschließlich im Norden von Deutschland abgespielt.
Nur im Urlaub war sie ein paarmal in den Süden und Westen gefahren.
Diesmal handelte es sich nicht um eine Urlaubsfahrt. Sie war in Stuttgart gewesen, um dort höchstpersönlich ihr Bild »Knabe am Teich« bei seinem neuen Besitzer abzuliefern. Das Bild hatte auf einer Ausstellung in München Beachtung gefunden, und sie war sehr froh gewesen, dass sie es hatte so gut verkaufen können. Als der Käufer dann auch noch eine Einladung für sie übers Wochenende ausgesprochen hatte, hatte sie gern zugesagt. Die Tage, die sie in einem Vorort von Stuttgart bei dem Käufer, Herrn Dr. Clausen, und dessen Familie verlebt hatte, waren dann auch sehr harmonisch und angenehm verlaufen. Mit einem Scheck in der Handtasche befand sie sich nun auf der Heimfahrt nach Hamburg.
Marianne Garde war im Augenblick mit sich und der Welt sehr zufrieden, und sie hatte auch allen Grund dazu. Mit ihrem Bild »Knabe am Teich« schien ihr nun endgültig der Durchbruch gelungen zu sein. Man kannte sie jetzt, und ihre Bilder fanden Käufer. Vor ihr lag noch ein langes Leben. Ein Leben, in dem sie malen konnte. Es gab ja so vieles, was sie entzückte und was sich lohnte, festgehalten zu werden. Sie war jung und hübsch. Es gab Menschen, die sie sogar für eine kleine Schönheit hielten. Warum also sollte sie nicht glücklich sein?
Unwillkürlich verlangsamte Marianne bei diesem Gedanken ihre Fahrt. Es kam ihr plötzlich zu Bewusstsein, dass sie sich davor fürchtete, nach Hause zu kommen. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte sie schon öfter dieses Gefühl der Leere und die Angst vor der Stille ihrer Wohnung gehabt. Sie vermisste ihre Eltern noch immer sehr. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb sie sich wieder etwas mehr an ihren Jugendfreund Hartwig Brenner angeschlossen hatte, obwohl sie beide gar nicht zueinander passten. Aber es war schwer, Hartwig das beizubringen. Er konnte sehr stur sein und hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, sie zu heiraten, obwohl seine Mutter davon gar nicht erbaut war. Sie hatte sich für ihren einzigen Sohn eine andere Frau erträumt. Eine Frau mit Vermögen und guten Verbindungen und keine Malerin.
Marianne gab etwas Gas, musste aber schon nach wenigen Metern mit der Geschwindigkeit heruntergehen. »Wildmoos« hieß der Ort, wie das Straßenschild ankündigte, durch den sie jetzt fuhr. Es war ein sehr idyllischer kleiner Ort mit hübschen Häuschen und sehr sauberen Straßen. Er war umgeben von Wäldern und sanften Hügeln. Mariannes Malerauge nahm das alles bewundernd auf. Ruhig und friedlich schien hier alles zu sein, als wäre die hektische laute Zeit noch nicht bis hierher vorgedrungen.
Auf dem kleinen Marktplatz gab es ein Gasthaus, das geradezu zum Verweilen einzuladen schien. Vor dem Eingang standen zwei mächtige alte Linden, die Marianne an ihre Kindheit erinnerten, an die Sommerferien bei ihren Großeltern im Mecklenburgischen. Auch die blühenden Blumen hinter den Fensterscheiben und die blütenweißen Gardinen riefen Erinnerungen an das alte Bauernhaus der Großeltern wach.
Kurz entschlossen brachte Marianne ihren Wagen vor dem Gasthaus zum Stehen. Warum sollte sie hier nicht einkehren? Was hielt sie davon ab, in dieser hübschen Gegend ein paar Tage Urlaub zu machen? Zu Hause wartete ja niemand auf sie.
Das Gasthaus hieß zum »Grünen Krug«, und ein Schild neben der Tür verkündete, dass hier die Wirtin selbst kochte und dass noch Zimmer frei waren.
Befriedigt stieg Marianne aus ihrem Sportwagen aus und reckte und streckte sich ein wenig. Tobsy, die kleine Hündin, die bis jetzt fest auf dem Rücksitz geschlafen hatte, hob den Kopf und blinzelte.
Tobsy war nicht reinrassig, aber sie war hübsch. Ihr schwarzes Haar glänzte wie Seide, ihre Ohren waren lang. Sie war gut gebaut und hatte kluge bernsteinfarbene Augen.
»Schlafmütze«, sagte Marianne lachend. »Wie wäre es mit frischem Wasser und leckerem Hundekuchen?«
Das Wort Hundekuchen verstand Tobsy sehr genau. Sie setzte sich auf und sah sich interessiert um. Die Gegend schien auch ihr zu behagen. Mit einem Satz war sie draußen, wo sie sich sofort für die dortigen neuen Gerüche zu interessieren begann.
Das Gasthaus war auch innen so nett und gemütlich, wie man es von ihm nach dem hübschen Äußeren erwartete. Durch einen kleinen Flur gelangte Marianne in den Gastraum, wo sie sehr freundlich von dem Wirt und der Wirtin begrüßt wurde. Alles war sehr geschmackvoll und dabei urgemütlich.
Marianne hatte Glück. Es war noch ein Zimmer frei. Es war ja noch keine