Andrea, die blutjunge Frau des beliebten Tierarztes Dr. Hans-Joachim von Lehn, stand stirnrunzelnd vor ihrem geöffneten Kleiderschrank und schob die Kleider auf den Bügeln hin und her. Dann wandte sie sich zu ihrer Stiefmutter Denise von Schoenecker um. »Mutti, was soll ich nur mitnehmen?«, fragte sie ratlos.
Denise lachte: »Kind, das sollte doch kein Problem für dich sein. Jedes deiner Kleider ist entzückend.«
»Meinst du das wirklich? Wenn man auf dem Land lebt, kann man keine Vergleiche mit den Frauen in den Großstädten anstellen. Paris ist die Stadt der Mode, und die Pariserinnen sollen nicht nur sehr schick, sondern auch auffallend hübsch sein.«
»Ich glaube, dass sind nur Illusionen. Auch in Paris gibt es Frauen, die nicht nach der Mode gekleidet sind. Aber selbstverständlich gibt es dort auch sehr elegante Frauen – wie überall auf der Welt. Zudem bleibt ihr ja kaum eine Woche in Paris. Du brauchst also keinen Schrankkoffer voller Kleider mitzunehmen«, scherzte Denise.
»Mutti, ich möchte aber alle Frauen in Paris ausstechen. Hans-Joachim soll stolz auf mich sein. Er soll erst gar nicht auf den Gedanken kommen, andere Frauen zu bewundern.«
»Deine Sorgen möchte ich haben, Andrea.« Denise lachte herzlich auf. »Ich hätte gar nicht gedacht, dass du so eifersüchtig sein kannst.«
»Ich denke immer noch an die Zeit, als Hans-Joachim in Amerika war. Damals hat man viel über ihn geredet. Er soll viele Freundinnen gehabt haben. Wenn ich ihn nach dieser Zeit frage, hüllt er sich in geheimnisvolles Schweigen.«
»Damals wart ihr ja noch nicht einmal verlobt, Andrea. Jeder junge Mann stößt sich erst die Hörner ab, bevor er heiratet. Gerade Männer, die ihr Leben in jungen Jahren genossen haben, werden die besten Ehemänner. Das ist eine alte Weisheit, Andrea.«
»Andererseits sagt man aber auch, dass die Katze das Mausen nicht lässt.« Andrea musste plötzlich lachen. Dann aber wurde sie wieder ernst. »Ich bin eine pflichtvergessene Mutter!«, rief sie in einem völlig veränderten Ton. »Ich mache mir Sorgen, um meine Garderobe, statt an Peterle zu denken, den ich nun fünf Tage allein lassen muss.«
»Du bist gut, Andrea. Allein lässt du ihn gewiss nicht. Oder willst du behaupten, dass ein Kind in Sophienlust allein ist?«
»Natürlich nicht. Bei dir ist mein kleiner Sohn in den besten Händen. Nicht wahr, du nimmst ihn am Abend mit nach Schoeneich?«
»Das habe ich dir doch schon versprochen. Die Kinder in Sophienlust können es kaum erwarten, dass Peterle zu ihnen kommt. Besonders Pünktchen und Heidi warten voller Sehnsucht auf diesen Augenblick.«
»Aber du überlässt Peterle keinen von ihnen. Heidi ist doch erst vier. Und Pünktchen? Na ja, sie ist schon sehr vernünftig mit ihren zwölf Jahren. Aber eben doch noch ein Kind. Am liebsten würde ich hierbleiben. Soll ich Hans-Joachim nicht doch allein nach Paris fliegen lassen?«
»Das würde ich an deiner Stelle lieber nicht tun«, neckte Denise ihre bildhübsche Stieftochter. »Denk an die eleganten schönen Pariserinnen.«
»Ach, Mutti, du willst mich doch nur hochnehmen!« Übermütig blitzte es in Andreas blauen Augen auf. »Ich werde Hans-Joachim auf keinen Fall allein fliegen lassen. Gelegenheit macht Diebe, heißt es doch.«
»Was höre ich da?«, rief Hans-Joachim von L