: Petra A. Bauer
: Kunstmord Kappes 11. Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1930)
: Jaron Verlag
: 9783897730106
: Es geschah in Berlin...
: 1
: CHF 6.50
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Hermann Kappes 11. Fall Berlin 1930: Der begabte junge Maler Victor Reimer lebt einzig und allein für seinen großen Traum: Er möchte nach Paris ziehen, um am Montmartre, dem Zentrum der Pariser Kunstszene, einzigartige Bilder zu schaffen. Eines Tages begegnet er Alfons Lauterbach, dessen Leidenschaft ebenfalls die Malerei ist. Der menschenscheue Victor glaubt, in ihm einen wahren Freund gefunden zu haben, doch bald sieht er seine Existenz bedroht. Währenddessen halten ein Mordversuch an einer alten Dame und ein von seinem Verlobten übel zugerichtetes Mädchen das Polizeipräsidium in Atem. Noch ahnt niemand, dass es eine Verbindung zwischen den Fällen gibt, und Hermann Kappes berühmte Kombinationsgabe ist gefragt ... 'Es geschah in Berlin ', der große Kettenroman um Kommissar Hermann Kappe, spiegelt in fiktiven Kriminalfällen das Berlin des frühen 20. Jahrhunderts wider. Im elften Band hat die erfolgreiche Krimiautorin Petra A. Bauer ein überraschendes Kriminaldrama um das Berliner Künstlermilieu der 1930er Jahre geschrieben.

Petra A. Bauer, geboren 1964, lebt als freie Journalistin und Autorin in ihrer Geburtsstadt Berlin. Neben Krimis, Kinder- und Jugendbüchern schreibt sie Ratgeber, Fachartikel und Kolumnen zum Themenbereich Familie, Frauen und Lifestyle. Sie gehört sowohl der Vereinigung deutschsprachiger Krimiautorinnen an, den 'Mörderischen Schwestern', als auch dem 'Syndikat', der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur. 2006 gab sie ihr Krimidebüt mit dem erfolgreichen Roman 'Wer zuletzt lacht, lebt noch'. In der Reihe 'Es geschah in Berlin' erschienen von ihr: 'Unschuldsengel' (2009) und 'Kunstmord' (2010)

EINS


ER SCHLICH SICH an das Kind an. Wenn Kinder alleine waren und in Gedanken versunken spielten, war der Moment perfekt. Dann konnte er sie am besten einfangen.

Einige schnelle Linien reichten aus, um festzuhalten, was sie gerade taten. Bewegten sie sich dann, konnte er einige Details erhaschen, die Augenform zum Beispiel, ihren Gesichtsausdruck beim Anblick einer schleimigen Schnecke auf ihrer Hand. Rasch war das Skizzenblatt gefüllt, mit Anmerkungen versehen zu Lichteinfall und Farben. Wenn das Kind ihn genug faszinierte, bannte er es in seinem Zimmer auf eine Leinwand oder einen großen Bogen Aquarellpapier.

Manchmal wurden die Kleinen auf ihn aufmerksam und kamen schüchtern näher. Manche liefen wie zufällig vorbei, und wenn sie mit einem Seitenblick die Zeichnung sahen, wiederholten sie die herbeigeführten Zufälle, bis er sie mit einem Lächeln ermunterte, näher zu treten. Die Mutigen stellten ihm Fragen, so wie er selbst damals, als er die Maler am Montmartre gesehen hatte, wie sie mit ihren Leinwänden am Place du Tertre standen. Manche malten und zeichneten, während die fertigen Werke auf Käufer warteten.

Das kleine Mädchen war im Buddelkasten aufgestanden und klopfte sich den Sand von seinem kurzen Kleidchen. Das weiße Unterhöschen blitzte beim Nach-vorne-Beugen hervor. Es schien das Mädchen nicht zu stören, dass die Kniestrümpfe heruntergerutscht waren. Unschlüssig sah es erst zu den Müttern hinüber, die auf einer Parkbank saßen, außerhalb von Victors Sichtweite, durch einen Busch verdeckt. Doch er wusste, dass die Mütter sich dort immer angeregt unterhielten, während die Kleinen im Sandkasten waren und die größeren Geschwister im Park Fangen spielten. Niemand achtete darauf, dass das Mädchen sich umdrehte und geradewegs auf Victor zulief.

Es beobachtete ihn zunächst aus sicherer Entfernung. Victor wusste, dass es wichtig war, in diesem Stadium nicht aufzublicken, sondern weiterzuarbeiten, wenn er es nicht verscheuchen wollte. Langsam kam es näher, bis es direkt an sein Bein gelehnt stand und sich über das Bild beugte.

«Tatze!» Ein sandverkrusteter Finger tippte direkt auf die Zeichnung. Einige Sandkörner krümelten auf das Papier. Victor lächelte. Er wusste, dass Kinder Katzen liebten, daher hatte er eine neue Zeichnung auf billigerem Papier begonnen, als das Mädchen auf ihn zugelaufen war.

«Helda auch Tatze maln!» Energisch deutete der blondgelockte Engel auf Victors Bleistift.

Victor verstand. Er legte den Block beiseite und hob das Mädchen auf seinen Schoß. Dann platzierte er ein neues Blatt im Block zuoberst, legte den Block auf das kurze Spielkleidchen und drückte dem Mädchen den Stift in die Hand.

Die Kleine sah ihn an und grinste. «Maln!»

«Na, dann los!»

Vorsichtig setzte sie den Stift in die Mitte des Papiers und zog eine krakelige Linie. «Tatze!»

Victor nahm ihre Hand in seine. «Schau, da fehlt noch der Kopf!»

Gemeinsam malten sie einen Kreis an ein Ende der Linie.

«Und die Beine. Eins, zwei, drei … und vier, siehst du?» Die Kleine kicherte und rief fordernd: «Wanz!»

«Stimmt, du hast vollkommen recht. Was wäre eine Katze ohne Schwanz?» Schwungvoll führte er ihre Hand, bis ein verschnörkelter Katzenschwanz am anderen Ende der krakeligen Linie entstanden war.

Die Kleine lachte wieder, bis ein ohrenbetäubender Schrei durch den Park gellte: «Helga! Um Gottes willen!»

Eine junge Frau in taubenblauem wadenlangem Kleid rannte quer durch den Sandkasten, ungeachtet dessen, dass ihre Schleifenpumps dafür nicht geeignet waren. «Lassen Sie sofort mein Kind in Ruhe!»

Von ihren Rufen alarmiert, folgten drei weitere Mütter mit wehenden Röcken wie ein Haufen aufgescheuchter