1. Kapitel
Francesca Anderson, von den meisten Francis genannt, stand nach Schulschluss an der Bushaltestelle. Aufgeregt tauschte sie mit ihren Freundinnen Ruth und Lissy die Erlebnisse des Tages aus, als eine alte, amerikanische Corvette mit eingeklapptem Cabriodach auf den Parkplatz fuhr. Der Lack des schwarzen Wagens glänzte in der heißen Mittagssonne. Aus dem Auto stieg ein Mann Anfang zwanzig. Er war groß gewachsen und gertenschlank. Sein kinnlanger Pony hing ihm seitlich ins schmale Gesicht. Als er zu den Mädchen herübersah, nahm er seine Sonnenbrille ab. Lissy erblickte ihn als Erste. Vorsichtig stupste sie Francis an.
„Hey, ich glaube, du wirst abgeholt.“
Nun hatte auch Francis den jungen Mann bemerkt. Verlegen griff sie nach ihrer Schultasche. „Tatsächlich!“ Sie verabschiedete sich.
Als sie auf die Corvette zusteuerte, lächelte der Mann. Er begrüßte sie mit einem Kuss auf die Stirn und nahm ihr die Tasche ab. Schließlich fuhren sie mit dem Auto davon.
„Mann“, stöhnte Lissy. „Francis hat es gut.Mein Bruder holt mich nie von der Schule ab.“
***
Neal nahm die Landstraße. Jeden Tag ärgerte er sich über den Weg zu seinem Elternhaus. Er hätte lieber in der Stadt gewohnt, doch konnte er sich nicht lösen – von dem Leben auf dem Land. Der Fahrtwind durchwühlte sein Haar. Er blickte zu seiner Schwester und rümpfte er die Nase.
„Du solltest nicht so kurze Röcke tragen“, entwich es ihm. Francis, die ihr langes Haar zu einem Zopf gebunden hatte, sah ihren Bruder verwundert an. „Wieso nicht?“
Musste er das erklären? „Man sieht doch alles“, erwiderte er. Während er mit der linken Hand das Steuer hielt, zog er mit der rechten an dem Stoff ihres Rockes, sodass ihre Oberschenkel bis zu den Knien bedeckt waren. Francis lächelte vergnügt.
Eine halbe Stunde später lenkte Neal den Wagen auf den Hof der Andersons. Der Gärtner nahm ihm die Autoschlüssel ab und brachte das Auto in die Garage.
„Wie war es an Uni?“, fragte Francis, während sie mit ihrem Bruder zum Hauseingang schlenderte. Neal zuckte mit den Schultern. War es ihm egal, wie es um sein Architekturstudium stand? „Ich war nicht da“, offenbarte er.
Francesca stutzte. „Nein?“
Neal blieb stehen. Ein verschmitztes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Sollte er es erzählen?
„Unser Demotape ist fertig!“ Seine Augen strahlten vor Freude. Francis kannte diese Begeisterung in seinem Gesicht, die sich auftat, wenn Neal von seiner Musik und seiner BandThe Drowners sprach.
„Oh, das freut mich“, erwiderte sie entzückt, woraufhin sie Neal zurechtwies. „Nicht so laut“, bat er. „Mum soll nicht erfahren, dass ich nicht zur Uni war.“
Am Abend saßen sie zusammen in feiner Gesellscha