Geboren in einer Welt der Gewalt
»Was ist wahrhaftiger als die Wahrheit?
Antwort: die Geschichte.«
Jüdisches Sprichwort1
Eine Geschichte, die sich Schritt für Schritt entfaltet
Wir alle haben unsere Geschichte, und das ist meine. Es ist meine Wahrheit. Wie bei den russischen Matrjoschka-Puppen handelt es sich um eine Geschichte, die in mehreren anderen Geschichten enthalten ist. Wie mein Freund Ian einmal sagte: »Die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten ist nicht zwangsläufig eine gerade Linie.« In meiner Autobiographie mit ihren ineinander verschachtelten Geschichten geht es um eine Seelenreise. Oft erfolgt sie auf einsamen Pfaden, die wir einschlagen, wenn wir nichts ahnend einem inneren Ruf folgen und uns auf eine Suche voller Herausforderungen begeben, die bisweilen unlösbar erscheinen.
Ein Grundsatz der Trauma-Lösungsmethode, die ich im Verlauf der letzten fünfzig Jahre entwickelt habe, besteht darin, dass wir die Betroffenen nicht auffordern, sich im Sinne einer Konfrontationstherapie mit ihren traumatischen Erlebnissen auseinanderzusetzen. Stattdessen ermutigen wir sie, sich achtsam, Schritt für Schritt, diesen schwierigen Körperempfindungen, Emotionen und Vorstellungsbildern anzunähern, und helfen ihnen, zuerst Zugang zur bewussten Wahrnehmung bestimmter positiver Körpererfahrungen und -signale zu finden, um einen Wendepunkt einzuleiten. Der Rückblick auf bestimmte positive Erinnerungen dient der Vorbereitung auf die Verarbeitung eines angstauslösenden traumatischen Ereignisses, zum Beispiel eines sexuellen Übergriffs. Deshalb beginne ich mit der Schilderung von zwei positiven Erfahrungen in meiner Kindheit, die mich im späteren Leben verankert haben. Sie waren beide nicht nur ungeheuer spannend, sondern vermittelten mir darüber hinaus auch ein Gefühl von Sicherheit, Wärme und großmütiger Liebe.
Eine Geburtstagsüberraschung
Obwohl meine Kindheit von Gewalterfahrungen und lebensbedrohlichen Ereignissen geprägt war, gab es Zeiten, in denen ich mich geliebt und beschützt fühlte. Ich erinnere mich noch gut an zwei Begebenheiten, die mein Herz öffneten, positive Gefühle hervorriefen und das Bedürfnis in mir weckten, einen Freudentanz aufzuführen. Ich bin überzeugt, dass mir diese sinnlich wahrnehmbaren und emotional prägenden Erfahrungen halfen, Situationen durchzustehen, an denen ich sonst vielleicht zerbrochen wäre.
Als ich am Morgen meines vierten Geburtstags aufwachte, wartete eine riesige Überraschung auf mich. Mitten in der Nacht, während ich fest schlief, hatten sich meine Eltern auf leisen Sohlen in mein Kinderzimmer geschlichen. Unter meinem Bett beginnend und bis weit in den Raum hinein, hatten sie klammheimlich das kreisförmige Schienensystem einer elektrischen Lionel Modelleisenbahn verlegt.
Können Sie sich vorstellen, wie glücklich ich war, als ich vom Scheppern der Waggons aufwachte, die auf den Schienen entlangtuckerten? Ich sprang aus dem Bett und lief zum Transformator hinüber, mit dem ich die Geschwindigkeit des Zuges regulieren konnte. Voller Begeisterung betätigte ich das Signalhorn. Ich glaube, dass mir diese Überraschung das Gefühl gab, dass doch noch Wunder geschahen und dass ich geliebt und umsorgt wurde. Wenn ich über diese Erinnerung nachdenke, entsinne ich mich wieder an die zweite Situation aus einer noch früheren Zeit meines Lebens, in der ich mich unsäglich freute, weil ich mich nicht nur im wörtlichen Sinn sicher, aufgefangen und besonders wertgeschätzt fühlte.
Als ich ungefähr zwei Jahre alt war, leitete mein Vater ein Sommerferienlager in New England. Ein Schwarz-Weiß-Foto beschwor eine »Körpererinnerung« an ihn herauf, wie er im Schwimmbecken stand, nicht weit vom Rand entfernt. Ich sehe noch vor mir, wie ich loslief und ins Becken sprang. Er wollte sichergehen, dass ich nicht ertrank, als das Wasser über mir zusammenschlug und ich auf den Boden sank. Ich spüre noch heute seine Hände, die sich behutsam um meine Hüf