: Petra Gabriel
: Beutezug Kappes 17. Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1942)
: Jaron Verlag
: 9783955520168
: Es geschah in Berlin...
: 1
: CHF 7.20
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: Historische Kriminalromane
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Kommissar Hermann Kappe trifft im Mai 1942 seinen ehemaligen Schulfreund Traugott Lempel wieder und wird in dessen Büro bei Rheinmetall-Borsig Zeuge eines mysteriösen Todesfalls: Ein Mann stürzt plötzlich aus einem Fenster im dritten Stock. War es Suizid, Unfall oder Mord? Kappe nimmt sofort die Ermittlungen auf, wird aber bald von oben zurückgepfiffen. Doch er ahnt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Toten bei Borsig und dem Verschwinden eines jungen Mannes, um den Lempel sich sorgt. So ermittelt er weiter und stößt bald auf Belege für geheimnisvolle Geldtransaktionen seitens hoher NS-Funktionäre. Soll Kappe besser die Finger von allem lassen - oder die Wahrheit herauszufinden versuchen und sich damit selbst in Gefahr bringen? Es geschah in Berlin, der große Kettenroman um Kommissar Hermann Kappe, spiegelt in fiktiven Kriminalfällen das Berlin des 20. Jahrhunderts wider. Petra Gabriel führt den Leser im 17. Band in eine Zeit, in der die nationalsozialistischen Machthaber die Polizei weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht hatten und doch kleine Widerstandsgruppen immer wieder Zeichen setzen konnten gegen die Diktatur.

Petra Gabriel, geboren in Stuttgart, ist gelernte Hotelkauffrau, Dolmetscherin und Journalistin. Sie lebt als freiberufliche Autorin in Laufenburg und Berlin. 2001 wurde ihr erster Roman 'Zeit des Lavendels' veröffentlicht. Neben historischen Romanen schreibt sie Kurzgeschichten und Krimis. 2004 gründete sie das Internetmagazin 3land.info. 2010 erschien ihr Mystery-Roman 'Der Klang des Regenbogens', 2011 ihr sechster historischer Roman 'Die Köchin und der König'.

KAPITEL EINS
in dem Kappe einen alten Schulkollegen wiedertrifft


JEDEN MOMENT musste er kommen. Traugott Lempel strich zum hundertsten Mal die dünnen Haare nach hinten und fingerte nach seiner Taschenuhr. Doch für seinen kräftigen Zeigefinger war das Uhrentäschchen einfach zu klein. Er hatte, gemessen an seiner hochgewachsenen und hageren Gestalt, breite, zupackende Hände, das Erbteil einer langen Kette von Fischern. Lempel schaute zur Sicherheit noch einmal in den Kalender, auf dessen Ledereinband in Goldprägung die Jahreszahl1942 prangte. Ein Geschenk der Firmenleitung «für besondere Verdienste». Da stand es, schwarz auf weiß:18. Mai, 15 Uhr, Kappe. Lempel gab den Kampf mit der Tasche auf, zog an der vergoldeten Kette, die an einem Knopfloch der Weste befestigt war, und die Taschenuhr flutschte heraus. Er klappte den Deckel auf und betrachtete die Zeiger. Es war 15.03 Uhr.

Er kam sich langsam albern vor. Wie ein Schuljunge, der seine erste Verabredung hat und auf das Mädchen wartet, das sich verspätet. Er erinnerte sich gut. Damals hatte er sich ähnlich gefühlt, mit diesem Kloß im Hals und diesem Druck in der Magengegend. Kommt sie, kommt sie nicht? Doch das jetzt war eine andere Art der Verabredung. Er seufzte und steckte das in tickende Rädchen und Goldgehäuse gegossene Symbol der verfließenden Zeit vorsichtig zurück. Es war ein besonders gutes Stück: das Geschenk seiner kürzlich verstorbenen Frau zur silbernen Hochzeit.

Ob Kappe überhaupt kam? Und ob er ihm trauen konnte? Trampe hatte behauptet, dass Kappe kein Hundertprozentiger sei.

Er müsste es wissen. Er kannte Kappe gut und schon lange - nämlich seit der als einfacher Wachtmeister nach Berlin gekommen war. Das musste nun über dreißig Jahre her sein. Also kannte er ihn weit besser als er selbst. Er selber war so etwas wie ein Schulfreund, allerdings zwei Klassenstufen unter Kappe. Damals in Wendisch Rietz. Er hatte ihn bewundert.

Dennoch, da blieb diese Frage. «Kappe ist nicht so einer», hatte Theodor Trampe vorgestern immer wieder betont. Hoffentlich stimmte es.

Per Zufall hatten Trampe und er vor einigen Wochen festgestellt, dass sie beide Kappe kannten. Der Elektriker führte hin und wieder Auftragsarbeiten bei Borsig aus. Und er hatte Kontakte zu den Widerständlern unter den Borsig-Arbeitern. Das wusste Lempel aus sicherer Quelle. Auch wenn er es eigentlich nicht wissen durfte. Nur deswegen hatte er es schließlich gewagt, ihn ein wenig über Kappe auszuhorchen. Was hatten sie gelacht, als sie über dessen Eigenheiten sprachen! Trampes erster Beitrag war: «Er hat noch immer ein rundes Kindergesicht.»

«Und noch immer diese Nase?»

«Ja, sie ist noch immer sein hervorstechendes Merkmal», hatte Trampe geantwortet.

Beide grinsten, wohl wissend, dass damit nicht nur die Größe des bemerkenswerten Kappe’schen Riechorgans gemeint war, sondern auch die Form. Es sah aus wie eine Knüppelkirsche.

Aber kannte Trampe seinen Freund Kappe wirklich gut genug? Wer bei der Mordkommission etwas werden wollte, der tat besser daran, ein strammes Parteimitglied zu sein. Oder zumindest so zu tun.

«Kappe ist nicht in der Partei», hatte Trampe mehrfach im Brustton der Überzeugung behauptet. «Das wüsste ich. Er versucht halt, irgendwie über die Runden zu kommen. Wie wir alle. Du kannst ihn ruhig ansprechen, wenn du ein Problem hast. Worum geht es denn? Soll ich vermitteln?»

Traugott Lempel hatte den Kopf geschüttelt. «Es ist besser, ich mache das selbst.»

«Aha.» Das war neben einem scharfen Blick Trampes einzige Reaktion gewesen.

War Kappe nun also ein Nazi oder nicht? Das war die alles entscheidende Frage. Er hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, wusste nicht einmal, ob sich Kappe überhaupt noch an ihn erinnerte. Damals in Wendisch Rietz wäre