Das Wort »Gewalt« dient uns als inflationäre politische Währung, die als Wechsel für alle Arten symbolischer Transaktionen herausgegeben werden kann. Da es aus der öffentlichen Politik und den Massenmedien kommend Einzug in die Alltagssprache hielt, findet es auf Handlungen und Verhaltensweisung Anwendung, die in unterschiedlichem Grad brutal sind, von Terrorismus bis hin zur Verletzung der Privatsphäre und der psychischen Autonomie einer Person. Polizeigewalt, sexuelle Gewalt, physische und emotionale Gewalt; Krieg; Gender-, häusliche, ethnische und rassistische Gewalt: Alle diese Arten erweisen sich als Universalien des gesellschaftlichen und privaten Lebens, sie bezeichnen entweder Situationen, die eskaliert und außer Kontrolle geraten sind, oder im Gegenteil: Situationen, in denen zu viel Kontrolle herrscht. Die anthropogenen Faktoren für den Klimawandel und das massenhafte Aussterben von Tier- und Pflanzenarten können ebenfalls in Begriffen der Gewalt diskutiert werden: Eine ökologische Weise, die Welt zu betrachten, geht einher mit einem Bild vom Menschen als Summe seiner Technologien, der die Erde schändet, und von einer ausbeuterischen Ökonomie, welche die Erde gleichsam als Arsenal nützlicher Ressourcen behandelt. Schlussendlich kann jedes Tun oder Lassen als Gewalt, die etwas oder jemandem angetan wird, eingestuft werden. Auch indem ich mich zwinge, dieses Buch zu schreiben, tue ich mir Gewalt an.
Angesichts der aufgezeigten Bandbreite, wie das Wort gebraucht werden kann, lassen sich beim Nachdenken über Gewalt allgemeine Tendenzen feststellen. Erstens ist Gewalt definitiv ein Thema, das moralisch geächtet ist; zweitens durchdringt der Gewaltdiskurs alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass es schwer ist, etwas zu finden, was nicht unter diese Etikettierung fallen würde. Gewalt ist moralisch missbilligt: Gewalt ist böse. Sie muss entlarvt und gebrandmarkt werden, ausgeschlossen