PROLOG
Schottland, 1738
Männer waren das Problem – oder besser gesagt, ein bestimmter französischer Mann und der Kuss, den er ihrer Mutter auf dem Deck eines Schiffes stahl. Mary beobachtete den Kuss, während der Wind ihr das Haar zerzauste. Als pflichtbewusste Tochter war Geduld ihre Tugend. Jedes Mal wartete sie in Leith am Ufer auf ihre Mutter. Ihr Wiedersehen lief immer gleich ab – eine liebevolle Umarmung, während die weichen Locken ihrer Mutter ihre Wange umschmeichelten und ihr der Duft von Rosenwasser in die Nase stieg.
Mit geschlossenen Augen schwelgte sie in der Wärme und Zärtlichkeit dieses Moments.
„Du siehst genauso aus wie ich, als ich fünfzehn war“, flüsterte ihre Mutter ihr ins Ohr.
„Nur dass du hübscher bist“, flüsterte Mary zurück und wünschte, es wäre das letzte Mal gewesen, dass ihre Mutter fortgegangen war.
Es war nie das letzte Mal. Denn es reichte nie.
„Bleibst du eine Weile zu Hause, Mama?“ Hoffnungsvoll sah sie ihrer Mutter in die rätselhaften grauen Augen, die ihren eigenen so ähnlich waren.
„Mein liebes, süßes Mädchen, lass uns diesen herrlichen Tag nicht mit solchen Dingen verderben.“
In der Tat, das taten sie nie. Mary schob ihre Gefühle beiseite und versuchte, jede Sekunde des Zusammenseins mit ihrer Mutter zu genießen. An diesem Morgen schlenderten sie beieinander untergehakt durch Leith und sprachen über die letzte Reise ihrer Mutter, die sie zu einer Töpferei in Niderville geführt hatte, die eine Französin betrieb.
„So reizend, Madame Andre“, erzählte ihre Mutter. „Als Geschäftsfrau bestimmt sie ihr Schicksal selbst. Merk dir das, Mary.“
Ihre Mutter schien den Mann vom Schiff bereits vergessen zu haben.
Dabei hatte er ihr Leben verändert.
Einen Monat späte