Menorca, 16. März 2020
Wird Zeit, dass du zurückkommst … die machen die Balearen dicht!
Ungläubig starre ich auf die Nachricht meines Bruders. Dann macht mein Handy noch einmalPing.
Hey Johanna☺in Barcelona herrscht jetzt Ausgangssperre und meine Mitbewohner haben gesagt, sie wären nicht so begeistert, wenn jetzt noch jemand mit in der WG wohnen würde … meld dich mal☺
Ich lese die Nachrichten noch zweimal, dann schalte ich das Handy wieder aus und stecke es ganz hinten in meinen Rucksack. Das Gleiche versuche ich mit den Gedanken in meinem Kopf. Doch so ganz wollen sie sich nicht verdrängen lassen. Wie eine düstere Wolke zieht die Erkenntnis in mir auf, dass ich meine erste Solo-Wanderung frühzeitig beenden muss. Seit zwei Wochen bin ich unterwegs und es waren die aufregendsten und intensivsten Wochen meines Lebens.
Der Plan hatte vorgesehen, zuerst auf Mallorca über die Serra de Tramuntana zu laufen, einen Gebirgszug im Norden der Insel. Danach wollte ich mit der Fähre auf die Nachbarinsel Menorca und diese auf dem Camí de Cavalls einmal umrunden. Zum Abschluss wollte ich meine Freundin in Barcelona besuchen und dann auf dem Camí de Ronda an der Costa Brava bis zur französischen Grenze wandern. Sechs Wochen Zeit hatte ich dafür eingeplant, bevor ich in England meine dritte Saison als Activity Instructor in einem Outdoor-Center antreten sollte. Groß vorbereitet hatte ich die Reise nicht. Auf ein paar DIN-A4-Seiten hatte ich mir Notizen zu den drei Wanderwegen gemacht und mir Orte und Länge der Tagesetappen aufgeschrieben. Karten und Reiseführer waren zu teuer und zu schwer. »Ich fliege schließlich nur nach Mallorca, was soll schon passieren?!«, war meine Antwort auf die Bedenken meiner Familie, als ich mein Vorhaben offenbarte, den Großteil der Nächte unter freiem Himmel zu verbringen. Denn auch ein Zelt wollte ich nicht mitschleppen und das Wildcampen war in Spanien verboten, wie in den meisten europäischen Ländern. Unter freiem Himmel schlafen dagegen nicht. Ich wollte schon lange einmal ganz allein draußen übernachten. Nur die Natur und ich.
Mit den Kindern im Outdoor-Center hatte ich regelmäßig coole Unterschlüpfe unter den Bäumen unserer kleinen Bushcraft-Ecke gebaut. Wir hatten Feuer ohne Streichhölzer oder Feuerzeug entzündet und kleine Brote gebacken oder Brennnesselsuppe gekocht. Als mein Freund Tiago ein Stipendium für eine PhD-Stelle an der Universität Loughborough erhalten hatte, war ich kurzerhand mit ihm nach England gezogen und hatte dort den Job als Instructor in einem Outdoor-Center angenommen. Die ersten Monate waren hart. Ich hatte während meines Freizeitwissenschaft-Studiums zwar schon verschiedene erlebnispädagogische Programme und Outdoor-Trainings durchgeführt, trotzdem fühlte ich mich wie eine Anfängerin. Und nun sollte ich innerhalb kürzester Ze