Kapitel 2:
Wie die Digitalisierung Gemeinde verändert
Große Pläne machen, kleine Schritte gehen
Wenn Sie sich nun dazu entschieden haben, Ihre Kirchengemeinde digitaler zu machen, stehen Sie vor der Herausforderung: Wie machen wir das konkret? Auch wenn digitale Gemeinde ohne die richtige Einstellung nicht funktioniert, muss zum Denken natürlich das Handeln hinzukommen.
Wir erinnern uns: Die innere Gestalt ist die Haltung und die grundsätzliche Bereitschaft zur Vernetzung und Entgrenzung in der Zusammenarbeit. Die äußere Gestalt ist der konkret sichtbare Einsatz digitaler Werkzeuge. Das eine geht nicht ohne das andere: Wenn ich einen Instagram-Account für die Gemeinde eröffne, aber nur der Pfarrer das Passwort des Accounts hat, spiegelt sich darin eine andere innere Gestalt wieder als wenn ich allen Mitarbeiter:innen das Passwort zur Verfügung stelle und wöchentliche sogenannteHandover durch verschiedene Verantwortliche gestalte oder jeden Inhalt im Kirchenvorstand absegnen lassen möchte.
Digitale Prozesse in der Gemeinde funktionieren nur dann auf Dauer gut, wenn sie nicht als Beiwerk, Mehrarbeit und nebensächlich betrachtet werden. Eine kritische Masse an Mitmachenden ist wichtig. Digitalisierung ist nicht Kür und Innovation, sondern Notwendigkeit und Alltag. Es gibt daher einige Fragen, die jede Kirchengemeinde für sich beantworten muss, wenn sie sich auf den Weg zur digitalen Gemeinde macht.
Die äußere Gestaltung der digitalen Kirchengemeinde verrät manchmal mehr als uns lieb ist über die innere Gestalt unserer Gemeinschaft, über unser Verständnis von Kirche-Sein. Digitalisierung sorgt nicht per se für Veränderung, aber sie sorgt nicht selten dafür, dass Missstände erkannt werden, weil wir sie durch eine andere Linse, eben die der Digitalisierung betrachten. Wer sich ernstlich auf den Weg macht, die eigene Kirchengemeinde zu digitalisieren, wird immer auch mit Fragen nach dem Verständnis unserer Gemeinschaft als soziale Gruppe am Ort und als Kirche konfrontiert. Das liegt auch daran, dass Digitalisierung niemals wertfrei ist. Es geht eben nie nur um Technik oder Werkzeuge. Der Digitalität wohnen eigene Grundmuster und Überzeugungen inne, die das Leben einer digitalisierten Gemeinde bestimmen.7 In diesem Sinne ist Digitalisierung Teil von Kirchenentwicklung.
Solche Selbstverständnisfragen sind zum Beispiel: Wollen wir uns darauf einlassen, dass sich althergebrachte, eingespielte Vorgänge verändern dürfen? Wollen wir neue Freiheiten leben? Wollen wir eine neue, größere Gleichberechtigung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen zulassen? Wollen wir eine Gemeinde werden, die stärker bedarfsgerecht statt absender-orientiert handelt?Für wen sind wir eigentlich da?
Wer traut sich?
Wenn niemand etwas verändern will, wird sich auch nichts verändern, jedenfalls nicht in absichtlicher Richtung. In allen Kirchengemeinden werden ständig Entscheidungen getroffen, dieetwas verändern. Zum Beispiel: Jemand entscheidet, nicht mehr zum Gottesdienst zu kommen, und fehlt also in Zukunft, vielleicht nicht nur als Gottesdienstbesucher, sondern gar als Lektor:in. Wenn ein Kind geboren wird und die Eltern stehen vor der Entscheidung, ob sie es taufen lassen, nehmen sie mit ihrer Entscheidung konkreten Einfluss darauf, ob und wie ihr Kind in Zukunft von der Kirchengemeinde wahrgenommen wird. Wenn der Kirchenvorstand entscheidet, dass die Kirche tagsüber geöffnet sein soll, verändert sich womöglich das soziale Leben im Umfeld des Kirchengebäudes. Solche Veränderungen sind schleichend und allmählich. Ganz viele kleine Entscheidungen sorgen für große Wirkungen. Große Pläne machen und kleine Schritte gehen, ist ein guter Weg, um ans Ziel zu kommen!
Es ist immer leichter, etwas nicht zu tun, als Neues tatsächlich anzustoßen und umzusetzen. D