Ich stand auf einer kleinen Insel, die von hochschlagenden Wellen allmählich von allen Seiten überflutet wurde. Plötzlich tauchten Schlangen auf mit gefiederten Rücken. Zischend schlängelten sie auf mich zu, züngelten und starrten mich mit funkelnden, kleinen stechenden Augen an, kamen näher und näher. Und dann sprang ein Löwe auf mich zu, mit aufgerissenem Maul und riesigen Zähnen. Seine gelben Augen wurden größer und größer ...
Den Namen Jeremy Brook hörte ich zum erstenmal auf meinem Flug von New York nach Dallas. Noch war er für mich ein gesichtsloser Mann, der aber, wie ich erfuhr, einen Mittelpunkt in der Schickeria von Dallas bildete – als Bildhauer.
»Ah ja«, sagte ich nur und sah den Mann neben mir mit gespieltem Interesse an. Inzwischen hatte ich erfahren, daß der Passagier, der ebenfalls in New York den Jet bestiegen hatte, Timothy Raynes hieß. Und kurz bevor die Maschine landete, fragte ich: »Kennen Sie zufällig Joe Shelton? Wie Sie vorhin erwähnten, haben Sie auch etwas mit Öl zu tun.«
»Joe? Joe Shelton? Aber ja, ich kenne ihn. Wer kennt diesen Ölmillionär denn nicht? Natürlich ist unsere Bekanntschaft rein geschäftlich. Das Kartell der Ölmagnaten ist weit verbreitet.« Timothy Raynes musterte mich voller Freude. »Gehören Sie auch dazu?«
Unwillkürlich mußte ich lachen. »Nein, Mr. Raynes, bestimmt nicht. Aber meine Freundin ist mit Joe verheiratet. Ich werde einige Wochen in Dallas bleiben.«
»Wirklich?« Wieder sah er mich prüfend an. »Ich halte Sie für eine Engländerin.«
»Womit Sie den Nagel auf den Kopf getroffen haben.« Mehr wollte ich dem Mann nicht von mir erzählen. Warum auch? Wenn wir den Jet verließen, würden sich unsere Wege trennen.
Timothy Raynes schien da anderer Meinung zu sein. »Miß Rogers, ich bleibe einige Tage in Dallas. Ich würde...« Er lachte jungenhaft. »Ja, es würde mich freuen, wenn wir uns wiedersehen könnten.«
Ich zögerte. Der Mann sah mir zu gut aus. Während unseres Beisammenseins hatte ich Zeit genug gehabt, mich davon zu überzeugen. Wenn er lachte, sah ich seine kräftigen weißen Zähne und auch das Grübchen auf seiner linken Wange. Sonnengebleichte Strähnen durchzogen sein dunkelblondes Haar, und die Lachfältchen an den äußeren Augen deuteten darauf hin, daß er auf der Sonnenseite des Lebens stand. Er war braungebrannt und wirkte sehr sportlich. Die saloppe Eleganz seiner Kleidung verlieh ihm das gewisse Etwas, das Frauen gefiel. Mir leider auch. Aber ich hatte nicht vor, mich kopfüber in ein kurzes Abenteuer zu stürzen, denn daraufhin würde eine engere Beziehung mit ihm hinauslaufen.
»Sie wollen nicht?« fragte er leise.
»Sollten wir das nicht dem Zufall überlassen?« entzog ich mich einer direkten Antwort.
»Einverstanden, Miß Susan Rogers.«
Überrascht sah ich ihn an. »Sie kennen meinen Vornamen?«
»Ist das schlimm?« Wieder dieses umwerfende charmante Lächeln eines Mannes, der bestimmt nicht unter Minderwertigkeitskomplexen litt. »Ich fliege diese Strecke oft und kenne die meisten Stewardessen. Bevor ich meinen Platz neben Ihnen einnahm, wollte ich unbedingt wissen, wie Sie heißen. So erfuhr ich auch, daß Sie Britin sind.«
»Dann wissen Sie ja alles über mich«, erwiderte ich trocken.
Die Maschine setzte zur Landung an, rollte über die Landebahn und blieb stehen. Wir öffneten die Sicherheitsgurte, blieben aber noch sitzen, um die anderen Passagiere vorbeigehen zu lassen, die dem Ausgang zustrebten.
Timothy Raynes erhob sich. Sein Lächeln verwirrte mich nicht zum erstenmal. Er nahm meine Reisetasche aus dem Gepäckfach.
»Danke«, sagte ich.
»Nicht der Rede wert, Miß Rogers. Finden Sie nicht,