Die Wattküste
DasWattenmeerund seine Inseln
Breite Sandstrände, Schlickzonen, Salzwiesen, Deiche, Dünen und Marschland - die mit etwa 10.000 Jahren erdgeschichtlich junge Landschaft im Nationalpark Wattenmeer ist abwechslungsreich und nach wie vor ständig in Bewegung.
Wollige Landschaftspfleger: Schafe in den Salzwiesen
Das Wattenmeer erstreckt sich auf rund 450 km entlang der Nordseeküste von Blåvandshuk in Dänemark bis Den Helder in den Niederlanden. Wegen seiner geologischen und ökologischen Bedeutung steht das Wattenmeer unter besonderem Schutz. 2009 wurden der holländische und der deutsche Teil von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Im Jahr 2010 kürte Dänemark „sein“ Wattenmeer zumNationalpark Vadehavet.So war der Weg frei zur Anerkennung als UNESCO-Weltnaturerbe, die 2014 erfolgte.
Ebbe und Flut sind die pulsierenden Kräfte, die an dieser flachen Küste wirken. Zweimal am Tag hebt und senkt sich der Meeresspiegel. Die Gezeiten, auch Tiden genannt, werden durch vielerlei Faktoren beeinflusst, besonders jedoch durch die Anziehungskräfte des Mondes und der Sonne. An der dänischen Wattenmeerküste ist der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser aber weniger groß als an der deutschen, er beträgt im Schnitt bei Rømø im Süden 1,80 bis 2 m, nimmt dann aber nach Norden stetig ab. Zwischen ablaufendem (Ebbe) und auflaufendem (Flut) Wasser liegen etwa 6 Stunden 13 Minuten. EineGezeitenperiode mit Ebbe und Flut dauert 12 Stunden und 25 Minuten, sie verschiebt sich also jeden Tag um 50 Minuten. Das bedeutet, dass das Meer die Wattlandschaft in knapp 25 Stunden zweimal überflutet. Die Anziehungskraft der weiter entfernten Sonne auf die Gezeiten ist viel schwächer, macht sich jedoch bemerkbar, wenn Mond und Sonne in ihren Bahnen hintereinanderstehen, also bei Neu- und Vollmond; dann summieren sich die Kräfte mit der Folge, dass die Flutberge besonders hoch (Springtiden) sind. Extrem niedrig fällt die Flut dagegen aus, wenn Mond und Sonne sieben Tage später einen rechten Winkel zueinander bilden (Nipptiden).
Verheerende Sturmfluten haben Dänemarks Küstenlinie immer wieder nachhaltig verändert wie die Zweite Marcellusflut von 1362 und die Burchardiflut 1634. Die „Großen Manntränken“ forderten nicht nur Zehntausende Opfer, sie fegten unter anderem den wichtigen westjütländischen Hafenort Sønderside (nahe dem heutigen Blåvand) von der Landkarte und trennten die Halbinsel Langli durch eine tiefe Rinne (Hobo Dyb) vom Festland ab. Die neuen Strömungsverhältnisse sorgten schließlich für die Entstehung der Halbinsel Skallingen.
Bei Sonnenuntergang tanzen Schwärme von Staren ihr Ballett
Auch unter Normalbedingungen verändert sich die Wattenmeerküste. Eine Milliarde Kubikmeter Wasser sind ständig in Bewegung. Das Meer hat Sand und Schlick im Gepäck. Der schwerere Sand wird weit außen abgelagert, formt Sandbänke und vergrößert in Zusammenarbeit mit dem Wind Inseln wie Rømø oder Fanø. Nährstoffreicher Schlick lagert sich dort ab, wo das Wasser lange genug still steht; so entsteht die Marsch.
Das Watt schafft eine reich gefüllte Speisekammer. 10.000 Arten von Einzellern bis zu höheren Pflanzen und Tieren leben im Wattenmeer. Der Wattwurm hinterlässt seine auffälligen Sandspaghettihäufchen, wenn er den Meeresboden nach Nahrung filtert. Erstaunlich: Auch Mini-Organismen verursachen hörbare Geräusche. Das geheimnisvolle „Wattknistern“ entsteht, wenn Tausende nur wenige Millimeter lange Schlickkrebse den Wasserfilm zwischen ihren Scheren zum Platzen bringen.
Sort Sol- Ballett der Stare
Sehr viel lauter wird es im Frühjahr und Herbst, wenn bis zu zwölf Millionen Zugvögel eine Rast im Wattenmeer einlegen. Sort Sol (Schwarze Sonne) nennen die Dänen das Schwärmen der Zugvögel bei Sonnenuntergang. Zu diesem größten Naturschauspiel Dänemarks reisen nicht nur Ornithologen, sondern viele Tausende Touristen an. Naturführer kennen die Rastplätze der Vogelscharen und bringen die Gäste zu den Logenplätzen im (feuchten) Gras für ein einzigartiges Naturspektakel. Wer sich auskennt, macht es sich mit heißem Tee, Keksen und belegten Broten gemütlich bis zum Auftritt der gefiederten Künstler. Wenn die Dämmerung kommt, finden sich Stare in Schwärmen von bis zu einer Million Vögeln über den Schilfzonen ein. Während die Sonne den Himmel in Farben von Orange bis Rosarot färbt, bilden die Schwärme ständig wechselnde, rhythmische Formationen, mal kugelrund wie ein Ball, mal spitz wie ein Pfeil, mal in synchronen Wellen. Blitzschnell bewegt sich der Schwarm, ohne dass die Vögel miteinander kollidieren. Damit schützen sie sich gegen angreifende Raubvögel wie etwa Wanderfalken. Dass jeder einzelne Vogel den Bewegungen im Schwarm synchron folgt, liegt daran, dass sich der einzelne Star im Schwarm immer nur an bis zu sieben Vögeln in seiner direkten Umgebung orientiert. Das funktioniert selbst dann, wenn der eine oder andere Star vom Fressen vergorener Beeren leicht beschwipst sein sollte. Wenn die Dunkelheit hereinbricht, ist das Spektakel so schnell zu Ende, wie es angefangen hat, und die Stare lassen sich im Schilf nieder. Für sie heißt es nun verdauen und „aufspecken“: In nur fünf bis sechs Wochen legen die gefiederten Gäste das Doppelte an Körpergewicht zu, was ihnen über den Winter he