Die erfolgreiche Integration in eine Organisation kann an verschiedenen Kriterien gemessen werden. Viele Onboarding-Maßnahmen kann man dann besser einordnen und verstehen, wenn man davon ausgeht, dass ihnen bestimmte Modelle davon zugrunde liegen, wie Individuum und Organisation „funktionieren“ und wie sie zueinander finden können. Es sei nochmals daran erinnert, wofür organisationale Sozialisation steht, die eine Art von Oberbegriff darstellt, unter den auch die Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. das Onboarding fällt: Es geht um den Prozess der Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Kenntnissen, Regeln, Normen, Rollenerwartungen und Werten von Organisationen an Individuen. Dies könnte so verstanden werden, dass es bei der Integration vor allem um die Weitergabe von Informationen geht. Entsprechend könnte man etwa eine Vorstellung dahingehend haben, dass Onboarding vor allem aus Lernprozessen besteht. Eine andere Interpretation könnte sein, dass Organisationen vor allem soziale Gebilde mit Normen, Regeln und einer „Kultur“ sind. Aus einer solchen Modellvorstellung heraus würde man fragen, wovon es abhängt, dass es zu einem gelungenen Passungsprozess kommt, dass die Kultur angenommen wird und sich eine „Bindung“ entwickelt. Im folgenden Kapitel soll gezeigt werden, dass es insgesamt fünf wichtige Ziele bzw. Zielkriterien des Onboardings gibt (sieheAbbildung 5).
Bei der Arbeit sollen weder die Beschäftigten noch der Arbeitgeber Schaden nehmen. Aufseiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist hier zunächst an deren Gesundheit zu denken, aufseiten der Organisation an die Ressourcen. Das Hantieren mit Chemikalien, Bedienen von Werkzeugen, Warten und Reparieren von Maschinen, Arbeiten in unwirtlicher Umgebung oder das Fahren von Kraftfahrzeugen haben gemeinsam, dass Fehler und Unfälle nicht primär nützliche Quellen für das Lernen darstellen, sondern vor allem Betriebsmittel zerstören, Arbeitsergebnisse beeinträchtigen und die Gesundheit gefährden können. Ein elementares Ziel der Integration neuer Beschäftigter ist es daher, Maßnahmen zu ergreifen, um Fehler und Unfälle zu vermeiden. Dies ist natürlich eine grobe Vereinfachung, denn die Vorstellung, neue Organisationsmitglieder seien dann schon erfolgreich integriert, wenn sie Verbote beachten, ist nicht gerade weitsichtig. Dies lässt sich am Beispiel der Einstellung einer Reinigungsfachkraft veranschaulichen. Zu Beginn der Integration steht eine Einweisung in den sicheren Umgang mit den eingesetzten Geräten und Chemikalien sowie die Erläuterung der Dienstpläne und Aufträge im Vordergrund. Über diese rein funktionale Integration hinaus erfolgt aber auch eine Integration aus sozialer Sicht bis hin zur Vermittlung der Organisationskultur, welche sowohl den Umgang der Beschäftigten untereinander als auch das Auftreten gegenüber Kundinnen und Kunden thematisiert. Die Integration könnte als gelungen angesehen werden, wenn die Werte der Organisation verinnerlicht wurden, und nicht nur ein sparsamer und sorgfältiger Umgang mit den Betriebsmitteln sichergestellt wird.
Was das Thema „Gesundheit“ betrifft, so geht es um mehr als das Vermeiden von Unfällen. Natürlich sollte z. B. ein Fensterputzer sich so auf der Leiter bewegen, dass er nicht herunterfällt. Aber er sollte auch niemand anderen z. B. durch herunterfallende Gegenstände verletzen. Und er sollte auch auf eine angemessene Körperhaltung achten, um nicht – früher oder später – Rückenbeschwerden u. a. m. zu riskieren. Gleichwohl gehört vor allem die Sicherheitsunterweisung bei einfachen wie bei komplexen Tätigkeiten zu den zwingend erforderlichen Maßnahmen der Integration (siehe Kasten).
Unterweisungen nach § 12 Arbeitsschutzgesetz
Die Unterweisung ist in § 12 des Arbeitsschutzgesetzes geregelt. Demnach ist eine Unterweisung bei den folgenden Anlässen bereits vor der Aufnahme der Tätigkeit vorgeschrieben: Einstellung oder Veränderungen im Aufgabenbereich, Einsatz neuer Arbeitsmittel und Technologien. Die Unterweisung muss sich an der Gefährdungsentwicklung orientieren und ggf. regelmäßig wiederholt werden. Die Unterweisung erfolgt während der Arbeitszeit und hat ausreichend und angemessen zu erfolgen. Die Unterweisung unterliegt der Pflicht des Arbeitgebers und kann nicht an Beschäftigte abgetreten werden.
|30|Nähere Informationen zur Unterweisung finden sich z. B. unter:https://publikationen.dguv.de/regelwerk/dguv-informationen/292/unterweisung-bestandteil-des-betrieblichen-arbeitsschutzes
Selbst umfassende und regelmäßige Unterweisungen können leider nicht alle Unfälle verhindern. Zur Unfallprävention gehört daher auch, Unfallursachen zu identifizieren und dann weitergehende Maßnahmen für die Zukunft abzuleiten. Dabei können personengebundene, organisatorische und technische Unfallursachen unterschieden werden (sieheAbbildung 6).
Auch wenn demografische Merkmale (männliche Jugendliche sind überdurchschnittlich unfallgefährdet) und persönlichkeitsbezogene Faktoren eine Rolle spielen (siehe Kasten): Der größte Anteil von Unfällen resultiert nicht aus Unkenntnis oder gar absichtlichem oder fahrlässigem Fehlverhalten, sondern hat technische oder organisatorische Ursachen, wenn z. B. die maximale Traglast einer Palette nicht ausgewiesen ist und es zu einer Überladung kommt. Insbesondere bei hohem Gefährdungspotenzial organisationaler Bedingungen (z. B. beim Einsatz gefährlicher Chemikalien oder bei havarieanfälligen komplexen Technologien) spielen zudem sog.Sicherheitsbarrieren eine wichtige Rolle, welche die Konsequenzen von Fehlern auf mehreren Ebenen unterbinden sollen. In Entsprechung zu den Unfallursachen könnten solche Barrieren technischer Natur sein (z. B. „Totmannschalter“) oder organisatorisch verankert werden (z. B. „Vier-Au|31|gen-Prinzip“, also eine unabhängige Sicherheitsüberprüfung durch zwei Beschäftigte), betreffen aber auch die personalen Faktoren (z. B. fachliche Qualifikation und Sicherheitsbewusstsein).
Gibt es eine „Unfällerpersönlichkeit“?
Wenn vermeintlich persönlichkeitsbezogene Faktoren mit der Häufigkeit von Fehlhandlungen und Unfällen in Beziehung stehen, dann stellt sich die Frage, was denn die „Pechvögel“, die das Unglück anziehen, auszeichnet. Eine Metaanalyse vonClarke und Robertson (2005) konnte nach der zusammenfassenden Sichtung bisheriger Studien zeigen, dass Personen mit geringen Werten in Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit vermehrt in Unfälle involviert sind. Allerdings sind die Effekte nicht besonders stark. Zudem zeigt eine aktuelle Metaanalyse, dass der Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf Unfälle durch sicherheitskritisches Verhalten mediiert wird, wie z. B. einen fehlerhaften Einsatz von Schutzausrüstung oder die Abweichung von sicherheitsrelevanten Verfahrensweisen (Beus, Dhanani& McCord, 2015). Deshalb bleiben Bemühungen um sichere Arbeitsmittel, organisatorische Vorkehrungen und angemessene Schulungsmaßnahmen für die Beschäftigten praktisch bedeutsamer als die Berücksichtigung bestimmter Merkmale bei der Personalauswahl.
Neben der Einrichtung von Sicherheitsbarrieren ist vor allem dassicherheitskritische Verhalten ein wichtiger Ansatzpunkt zur Vermeidung von Fehlern und Unfällen am Arbeitsplatz. Sicherheitskritisches Verhalten umfasst nachBurke, Sarpy, Tesluk und Smith-Crowe (2002) alle Verhaltensweisen, welche Sicherheit bzw. Gesundheit von Beschäftigten, Kunden, Gesellschaft und der Umwelt fördern. Zum sicherheitskritischen Verhalten gehören
der Einsatz persönlicher Schutzausrüstung (z. B. Tragen von Schutzkleidung, Einsatz von Gehörschutz in lauten Arbeitsumgebungen),
die Ausübung risikoreduzierender Arbeitspraktiken (z. B. adäquater Einsatz und Interpretation von Überwachungsinstrumenten in...