Im Alltag auf Gottes Ruf hören
Menschliche und christliche Berufung
Die Bibel kennt eine Reihe von Berufungserzählungen. Sie deutet in ihnen jeweils einen „Anfang“: den „Anfang“ einer mit Gott gelebten Geschichte, eines von ihm erhaltenen Auftrags. Es genügt hier an den Prototyp aller Berufungserzählungen zu erinnern, die Geschichte des Samuel im Heiligtum von Schilo mit seiner prägnanten Antwort auf den Ruf Gottes: „Rede Herr, Dein Diener - Deine Dienerin hört“ (1 Sam 3,10). Solch einen Anfang erzählen können – nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Menschen –, setzt voraus, dass man bereits seit einer geraumen Zeit mit dieser Berufung und aus ihr lebt. Der Erzählfaden kann dann in umgekehrter Richtung abgespult werden: Ohne dass wir uns dessen immer bewusst sind, färbt das Heute den Anfang. Was sich zwischen gestern und heute abspielte, unsere Lebens- und Glaubenskrisen und das Wachsen unserer Berufungserfahrung, kann so in unserem geistlichen Gedächtnis auftauchen und für unser Morgen fruchtbar gemacht werden. In meinem Beitrag soll es vor allem um unser Heute gehen, allerdings in der Perspektive eines „Anfangs“, der noch nicht alle seine Versprechen eingelöst hat und sich deshalb je hier und jetzt in seiner Zerbrechlichkeit, aber auch in seiner verborgenen, zukunftsweisenden Kraft zeigen und entwickeln kann.
Rückbesinnung auf den Anfang
Geben wir zu, dass unsere Gesellschaft und unsere kirchliche Pastoral kaum mit solchen Berufungserfahrungen rechnet. Unseren Mitmenschen erzählen wir spontan, was wir tun, definieren uns im Hinweis auf unsere haupt- und nebenberuflichen Aktivitäten. Unsere christliche Berufung identifizieren wir mit bestimmten kirchlichen Diensten und verengen häufig unseren Blick auf ihren sichtbaren gesellschaftlichen Aspekt. Manche Gläubigen sagen das ganz spontan: „Erhat die Berufung zum Priestertum, siehat die Berufung einer Ordensfrau;