2. Kapitel
"Was wirst du tun? Mich mit nach Hause nehmen und an dein Bett fesseln?"
Du meine Güte, dachte Carrie, als sie aus der Dusche trat und sich ein flauschiges dunkelgrünes Handtuch aus dem Wäscheschrank schnappte. Habe ich das tatsächlich zu ihm gesagt? Ausgerechnet zu Ryan Evans?
Sie stöhnte und vergrub ihr Gesicht in dem weichen Handtuch. Wenn sie wenigstens so schlau gewesen wäre, danach den Mund zu halten. Aber nein, sie musste natürlich noch etwas hinzufügen, was schrecklich frivol geklungen hatte:Was, wie ich finde, durchaus seinen Reiz haben könnte. Sie hatte gehofft, vielleicht doch endlich einmal einen Funken von Interesse in seinen Augen aufleuchten zu sehen.
Aber nicht bei Ryan. Oh nein! Er war kein bisschen an ihr interessiert.
"Wenn ich ein Pferd wäre, vielleicht." Oder einer von diesen geländegängigen Wagen mit Allradantrieb – wuchtige Kunstwerke aus silberglänzendem Chrom und schwarzem Lack –, die er so gerne fuhr.
Nein. Ryan Evans war noch nie an etwas interessiert gewesen, was sie und ein Bett betraf. Es sei denn früher, da hatte er sie zu überreden versucht, auch sein Bett zu machen, weil er zu sehr damit beschäftigt gewesen war, ein wildes Pferd zuzureiten oder den Mädchen nachzustellen.
Carrie rieb sich mit dem Handtuch die Haare und schaute sich dann angewidert im Spiegel an."Einige Lektionen sind wohl ein bisschen schwerer zu lernen, was, Carrie-Bärchen?" brummte sie missmutig und spürte, dass ihre Wut nachließ und von Müdigkeit und Melancholie ersetzt wurde.
Ja, einige Lektionen waren härter als andere. Ryan war eine der härtesten.
Schniefend und seufzend trocknete sie sich zu Ende ab, rieb sich mit ihrer neuen Bodylotion ein, die so feminin duftete, dass sie einem Mann schon die Sinne verwirren konnte. Als sie die Bodylotion gekauft hatte, hatte sie an Ryan gedacht. Carrie verzog verächtlich den Mund. So langsam machte sie sich lächerlich. Was tat sienicht , ohne an Ryan zu denken?
Sie betrachtete ihr armseliges Ich im Spiegel."Also, ein für alle Mal, was wirst du in Bezug auf ihn tun?"
Sie wusste es wirklich nicht. Sie liebte ihn seit einer Ewigkeit. Sie vergötterte ihn, während er sie nie als etwas anderes als seine kleine Schwester angesehen hatte. Nach dem heutigen Abend war es ziemlich eindeutig, dass er sie auch niemals als etwas anderes betrachten würde: Er hatte auf ihre Andeutungen und Einladungen, die nun wirklich nicht mehr subtil zu nennen gewesen waren, weder mit Erschrecken noch mit einem Aufstöhnen oder gar Interesse reagiert.
Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe und sah der unwiderlegbaren Wahrheit ins Auge."Vielleicht ist es an der Zeit aufzugeben."
Sie holte tief Luft und atmete langsam wieder aus, während der Gedanke sich wie Blei auf ihre Seele senkte. Ja. Vielleicht war es an der Zeit.
Nachdem sie in ein sauberes, übergroßes Nachthemd geschlüpft war und sich ein Paar Socken über ihre kalten Zehen gezogen hatte, schlenderte sie ins Wohnzimmer und bürstete sich dabei das nasse Haare. Unterwegs schnappte sie sich die Fernbedienung, hielt sie in Richtung Fernseher, drückte auf den Einschaltknopf und ließ sich dann auf das Sofa fallen. Die flauschige blaue Chenilledecke fühlte sich kuschelig weich und warm an, als sie sie von der Sofalehne nahm und über ihre hochgezogenen Knie legte. Allerdings wäre es noch viel schöner gewesen, wenn sie sich an Ryan hätte kuscheln können.
Sie ermahnte sich."Du tust es schon wieder, Whelan. Es wird nicht geschehen. Nicht mit Ryan, also gib es einfach auf."
Während der nächsten fünf Minuten versuchte sie, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie genau dies tun musste. Sie musste ein für alle Mal ihre Träume von einer gemeinsamen Zukunft mit Ryan aus ihrem Kopf verbannen.
Also dachte sie an ihre ehrenamtliche Tätigkeit im Krankenhaus, an die Kinder im Kinderhort – an alles, nur um Ryan aus ihren Gedanken zu vertreiben. Dabei drückte sie mit einer Hand die Fernbedienung und zappte sich durch die Programme, während sie unbewusst mit der anderen Hand an dem unbändigen Haarwirbel an ihrer linken Stirnseite herumzupfte.
"Nichts. Man sollte doch denken, dass man unter Dutzenden von Sendern einen findet, auf dem es etwas Interessantes gibt", ärgerte sie sich laut. Wenigstens eine Sendung, die sie unterhalten und von ihren Hirngespinsten um Ryan Evans ablenken würde. Vergeblich.
Wütend auf sic