1. KAPITEL
Hannah Rose starrte auf die Papiere in ihrer Hand und wünschte, sie würden sich in Luft auflösen. Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen, fingen an zu tanzen, fanden aber immer wieder in derselben Reihenfolge zusammen: SCHEIDUNG.
Leon hatte die Scheidung eingereicht. Nach acht Jahren war ihre Ehe am Ende.
Perfekte Heirat, perfektes Zuhause, perfektes Leben: Erledigt.
„Perfekter Ehemann“ fehlte in der Aufzählung, denn das war Leon nie gewesen, auch wenn sie so getan hatte, als ob. Ihr Hang zur Perfektion hatte sie im Laufe ihres Lebens zu einer wahren Meisterin im Vortäuschen reifen lassen.
Doch damit war es jetzt offenkundig vorbei.
Scheidung! Die ganze Welt würde Zeuge ihres Versagens sein.
Zum Glück musste ihre Mutter das nicht mehr miterleben. Sie war vor wenigen Monaten an den Spätfolgen eines schweren Unfalls vor einigen Jahren verstorben. Aus diesem Grund hatte Hannah ihre Eheprobleme für sich behalten. Und ihre jüngere Schwester konnte so eine deprimierende Nachricht in ihrem anhaltenden Zustand von Trauer und Verzweiflung schon gar nicht gebrauchen.
Schäm dich!, rügte die kleine nagende Stimme in ihrem Hinterkopf.Jetzt verschanzt du dich hinter dem Vorwand, Jessie schonen zu wollen, dabei hast du nur die Augen viel zu lange vor der Wahrheit verschlossen.
Hannah musste ihrer inneren Stimme notgedrungen recht geben, angesichts des Gesprächs, das sie vor über einem Jahr mit Brendan geführt hatte. Als ihr Partner in der Anwaltskanzlei und bester Freund hatte er sich verpflichtet gefühlt, sie über Leons Affären aufzuklären, doch sie hatte es nicht glauben wollen und den Kopf in den Sand gesteckt.
Jetzt konnte es nicht mehr geleugnet und schon gar nicht begraben werden.
Ihr Magen rebellierte, als sie die Scheidungspapiere umklammerte und versuchte, ihren Blick über die Trümmer ihres Lebens hinaus in eine Zukunft zu