1. KAPITEL
„Ich sollte stornieren.“
Allie Landers stopfte Unmengen an weißen Handtüchern in die Waschmaschine und stieß mit der Hüfte die Klappe zu. „Ganz ehrlich. Ich hätte mich von dir gar nicht erst dazu überreden lassen sollen.“
„Nett von dir, zu glauben, dass ich dich überhaupt zu irgendwas überreden kann.“ Lachend zog ihre beste Freundin Becka Baudin ein weiteres Paar Schuhe aus einer Metalltonne und stellte es in ein passendes Fach. „Allerdings habe ich uns beide bereits für den Flug eingecheckt. Jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher. Für all unsere Kurse sind die Vertretungen geklärt, und Claudia kümmert sich während der Woche um den Verwaltungskram. Für den Sportclub und auch das Frauenhaus. Wenn du bleibst, wirst du nur rumstehen und dich stressen, weil alles auch ohne dich läuft.“ Sie stellte ein Paar Sportschuhe in ein Fach. „Wann hast du dir das letzte Mal einen Tag freigenommen, Allie?“
Allie seufzte. Diese Auseinandersetzung konnte sie nicht gewinnen. Sie nahm sich niemals frei. Ihr SportclubTranscend und das Frauenhaus, das durch die Einkünfte aus dem Sportclub finanziert wurde, waren Allies Leben. Sie wohnte sogar in dem Apartment über dem Sportclub und dem Frauenhaus. Wenn sie nicht gerade für eine ihrer Angestellten einen Kurs übernahm, kümmerte sie sich um Organisatorisches und alles, was für das Frauenhaus zu tun war.
Genau so gefiel es ihr. Sie empfand die Arbeit so erfüllend wie sonst nichts. Sie war das entscheidende Rädchen in einer perfekt laufenden Maschine.
Doch leider lief in letzter Zeit überhaupt nichts mehr perfekt.
Die wenigen Sponsoren, die sie anfangs bei ihrer Arbeit mit dem Frauenhaus finanziell unterstützt hatten, gab es nicht mehr. Der Sportclub lief gut, aber Allie hatte mit jedem Cent, den er an Gewinn abwarf, das Frauenhaus über Wasser gehalten, und deshalb steckte jetzt auch der Sportclub finanziell in Schwierigkeiten. Somit hatte Allie große Probleme. Größere, als sie irgendjemandem eingestehen wollte. Wenn sie es laut aussprach, würde es real werden, und das wollte sie nicht zulassen. Irgendwo gab es eine Lösung. Es musste sie geben.
Und diese Lösung durfte nicht darin bestehen, dass sie an einen der Investoren verkaufte, die schon seit Monaten wie Geier um sie herumkreisten. Allie brauchte nur Zeit, um sich etwas zu überlegen.
Das Allerletzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war ein Flug in die Karibik, um dort eine Woche auf einer privaten Insel zu verbringen. Aber wenn sie das Becka eingestand, würde sie ihr auch alles andere beichten müssen.
Und das konnte sie nicht. Noch nicht.
Erst vor Kurzem hatte Allie mit ihren letzten privaten Ersparnissen die Stromrechnung für das Frauenhaus bezahlt, wodurch sie es einen weiteren Monat betreiben konnte, ohne dass irgendein Schuldeneintreiber bei ihr anklopfte. Noch schlimmer wäre es, wenn sie eine der Frauen, die dort zurzeit lebten, vor die Tür setzen müsste.
„Hallo? Erde an Allie!“ Stirnrunzelnd wedelte Becka ihr mit einer Hand vor dem Gesicht herum. „Wohin bist du entschwunden?“
„Nirgendwohin.“ Sie zwang sich zu lächeln und schnipste ihrer Freundin eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Da