: Lilly Gollackner
: Die Schattenmacherin
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218014250
: 1
: CHF 15.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Jahr 2068: Sengende Hitze, überdachte Städte, rationiertes Wasser. Und keine Männer mehr. Eine mysteriöse Seuche hat sie vor Jahrzehnten dahingerafft. Nur künstliche Fortpflanzung sichert den Fortbestand der Menschheit. Ruth, langjährige Präsidentin dieser Welt, bereitet die Amtsübergabe an die junge Ania vor. Die Junge möchte die Männer mit allen Mitteln zurückholen. Ruth stemmt sich dagegen, und sie hat gute Gründe. Der Generationenkonflikt zwischen den Frauen um Ressourcen, Macht und Identität stellt beide vor schicksalhafte Entscheidungen. Lilly Gollackner spiegelt in ihrem Debütroman zerrbildhaft die feministischen Kämpfe der Gegenwart in eine dystopische Zukunft. Ein erschreckend realitätsnahes literarisches Gedankenexperiment.

Lilly Gollackner, geboren 1978, aufgewachsen in Hallwang bei Salzburg. Journalistin, Autorin und Mediencoach. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien. Für ihre journalistische Arbeit erhielt sie u. a. den Journalismuspreis 'von unten' für den Beitrag 'Arm und Reich in Österreich', den Prälat-Leopold Ungar-JournalistInnenpreis und die New York Festival Gold World Medal für die Dokumentation 'Schluss mit Schuld'.

3


In der kühlen Kapsel des klimatisierten Automobils rasen die beiden Frauen über eine Fläche aus Kies und Sand. Über ihnen das Strahlen eines erbarmungslosen Himmels, wie ein nach oben gekippter Ozean, taubenblau, soweit das Auge reicht. Keine Wolkenufer, keine Ränder. Verlässt man den Schutz der Kuppeln, gerät man ohne die notwenige Technologie in Seenot und ertrinkt in der glühenden Hitze des endlosen Blaus.

Alev hat einen Zweisitzer bestellt. Auf der Landkarte am Armaturenbrett kriecht ihr Navigationspunkt auf hellbraunen Flächen dahin. Ruths Display liegt auf ihrem Schoß, sie versucht, die Zeit zu nützen. Nicht Ania: Die klebt mit ihrer Wange an der verdunkelten Scheibe, die Pupillen jagen von links nach rechts. Wie ein Tier, das zum ersten Mal den Käfig verlässt, denkt Ruth. Diese Kinder sind unter den Kuppeln aufgewachsen. Die junge Frau muss sich fühlen, als würde sie frei im Weltall treiben.

»Hast du Angst?«, fragt Ruth.

Ania reißt den Kopf in ihre Richtung. Wieder das zehnjährige Kind, das versucht, eine Erwachsene zu spielen. Sie kann ihre Aufregung so schwer verbergen.

»Wovor?«, fragt Ania.

Ruth antwortet nicht. Die Liste wäre zu