: Frank Bösch
: Deals mit Diktaturen Eine andere Geschichte der Bundesrepublik
: Verlag C.H.Beck
: 9783406813405
: 1
: CHF 22.70
:
: Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
: German
: 622
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Umgang mit Diktatoren hat die bundesdeutsche Demokratie von Anfang an herausgefordert. Frank Bösch zeigt auf der Grundlage umfassender Archivrecherchen, welche Interessen dabei aufeinandertrafen und was in den Hinterzimmern besprochen und angebahnt wurde. Mit den Regierungen wandelte sich der Austausch mit Autokratien in Südamerika, Ostasien oder im Ostblock. Durch gesellschaftlichen Protest gewannen Werte und Sanktionen allmählich an Bedeutung. Doch der wirtschaftsorientierte Pragmatismus blieb, wie Frank Bösch anschaulich zeigt, das vorherrschende Muster, das die Geschichte der Bundesrepublik zutiefst prägte. Dezember 1964: Der kongolesische Ministerpräsident Tschombé wird feierlich in Berlin empfangen. Demonstranten stürmen über die Absperrungen. Den «Mörder von Lumumba» trifft eine Tomate «voll in die Fresse», wie Rudi Dutschke mit Genugtuung notiert. Für Dutschke war dies der «Beginn unserer Kultur-Revolution». Nachdem in den fünfziger Jahren die «Kaiser» aus Iran und Äthiopien bejubelt worden waren, führten in den Sechzigern Proteste von oppositionellen Migranten, antikolonialen Gruppen oder auch von Amnesty International zu einer stärker wertebasierten Diplomatie mit Diktatoren: Handel ja, aber bitte auch Freilassung einzelner Oppositioneller. Frank Bösch zeigt in seinem glänzend geschriebenen Buch, wie sich in den Jahrzehnten nach dem Nationalsozialismus im Umgang mit Diktaturen wirtschaftliche, politische und zivilgesellschaftliche Interessen zu einem Schlingerkurs verschränkten, dessen Widersprüche und Folgen uns bis heute beschäftigen.

Frank Bösch ist Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam und Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF). Bei C.H.Beck erschien bereits der SPIEGEL-Bestseller"Zeite wende 1979. Als die Welt von heute begann" (6. Auflage 2019, C.H.Beck Paperback 2. Auflage 2020).

Einleitung:

Mit Diktaturen umgehen


Der Umgang mit undemokratischen Staaten ist eine schwierige Herausforderung. Das zeigte sich etwa 2022 bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar. Viele deutsche Fans kündigten einen Boykott der WM an, aber dennoch sahen rund siebzehn Millionen Deutsche die Spiele ihrer Elf im Fernsehen. Dass die deutsche Nationalmannschaft sich vor ihrem Auftaktspiel symbolisch den Mund zuhielt, verspotteten die einen als zu halbherzig, die anderen als Moralismus. Ähnlich kontrovers war die vorherige Katarreise von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der dort um Gaslieferungen warb, um unabhängiger von Russland zu werden. Denn im Umgang mit Diktaturen treffen unterschiedliche politische, ökonomische und moralische Ziele aufeinander. Regierungen müssen ausloten, ob sie Diktaturen mit Handschlägen und Handel oder mit Sanktionen begegnen. Und im Alltag müssen wir entscheiden, ob wir Waren aus Diktaturen kaufen, Urlaube dort verbringen oder Verfolgten helfen.

Die engen Beziehungen zu Autokratien wie China, Russland oder Saudi-Arabien, die heute viel diskutiert werden, sind nicht erst durch die gegenwärtige Globalisierung oder die Männerkumpaneien von Politikern wie Gerhard Schröder entstanden. Schon seit Gründung der Bundesrepublik trugen viele Akteure dazu bei, eine langfristige Zusammenarbeit mit Diktaturen aufzubauen. Dieses Buch zeigt, wie Kooperationen mit Diktaturen seit der Ära Adenauer aufkamen und wie sie sich im Laufe der Zeit veränderten. Interne Akten der Bundesregierung verd