»Nick, willst du in diesem Jahr mit unseren Kindern auch wieder ein kleines Theaterstück an einem der Adventssonntage aufführen, zu dem wir Gäste einladen können?«, erkundigte sich Denise von Schoenecker bei ihrem Sohn.
»Natürlich, Mama!«
»Wenn ich mir dein Gesicht mit dem verschmitzten Lächeln ansehe, dann hast du sicher schon ein Stück ausgesucht und steckst bereits in den Vorbereitungen.«
Nick lachte. »Wie gut du mich doch kennst«, erwiderte er, stützte seine Ellbogen auf die Schreibtischplatte und sah die Frau, die ihm gegenübersaß, liebevoll an. Dann schob er das Manuskript, das ihm als Grundlage für seine Inszenierung dienen sollte, ein wenig zur Seite, damit sie den Titel nicht lesen konnte.
»Du machst mich neugierig, Nick. Welches von den klassischen Märchen hast du denn ausgewählt?«
»Keines, eher ein modernes. Bestehst du darauf, dass ich es dir erzähle, oder möchtest du dich in diesem Jahr vielleicht einmal von mir überraschen lassen?«
Nick beobachtete seine Mutter aus den Augenwinkeln. Sie war bis heute immer noch seine wichtigste Stütze, ohne sie hätte er sein Erbe, das Kinderheim Sophienlust, gar nicht annehmen können.
Jetzt seufzte sie, als stünde sie vor einer wichtigen Entscheidung, zu der sie sich nur schwer durchringen konnte.
»Letzteres!«, erwiderte sie endlich zögernd.
»Okay, Mama.«
»Gut, dann wäre das ja geklärt.« Denise stand auf, küsste ihren Sohn auf die Wange und sagte im Hinausgehen: »Du kannst bestimmt heute Nachmittag auf meine Anwesenheit verzichten. Dein Vater und ich möchten nämlich gern nach Stuttgart fahren, um für ihn einen neuen Wintermantel zu kaufen. Das heißt, er möchte nicht, aber ich bestehe darauf. Du kennst ihn ja, jedes Jahr wieder meint er, der alte würde ihm noch ein paar Jahre reichen. Nun bin ich seine Ausreden leid, und ich garantiere dir, wir kommen nicht ohne einen Mantel für ihn zurück. Ach ja, anschließend wollten wir noch kurz bei einem Geschäftsfreund vorbeischauen.«
»Dann schlage ich dir vor, übernachtet in Stuttgart und kommt erst morgen zurück, sonst ist doch alles nur eine große Hetze«, schlug Nick vor.
»Das habe ich mir auch schon gedacht und bereits ein Hotelzimmer gebucht«, erwiderte seine Mutter.
»Prima! Ich freue mich für euch. Ihr kommt so selten zusammen einmal raus«, meinte Nick.
»Danke. Ach ja, was ich dir noch sagen wollte: Auf meinem Schreibtisch liegen noch die Unterlagen einer Studentin, die sich bei uns für ein Praktikum beworben hat. Die solltest du dir unbedingt einmal näher ansehen. Wir reden dann übermorgen darüber, was du davon hältst.«
»In Ordnung.«
Denise stand noch immer im Türrahmen, als überlegte sie, ob ihr noch etwas Wichtiges einfallen würde. Sie hatte sich von einer leichten Erkältung inzwischen gut erholt. Wieder einmal musste Nick denken, was für ein Segen es war, so eine tolle Mutter zu haben, die es einfach verstand, alle Menschen um sich herum glücklich zu machen. Er hatte es in all den vergangen Jahren nie für selbstverständlich gehalten, dass sie sein urgroßmütterliches Erbe Sophienlust für ihn