Strasbourg
„Stadt mit vielen Gesichtern“ - die oft strapazierte Floskel trifft hier tatsächlich den Kern. Im Zentrum der elsässischen Hauptstadt ragt das majestätische gotische Münster wie ein Mahnmal der Beständigkeit in den Himmel, umgeben von mittelalterlicher Butzenscheibenromantik, und gar nicht weit davon entfernt zeugen ultramoderne Glaspaläste vom Geist des 21. Jh.
In dem pulsierenden Wirtschaftszentrum mit behaglichem Winstub-Flair - ein bisschen Metropole, ein bisschen Kleinstadt - ergänzen sich genussfrohe elsässische Lebensart trefflich mit kosmopolitischem Europabürgertum und deutsche Ordentlichkeit mit französischem Esprit.
Spaziert man durch die Gassen der Altstadt, erscheint es kaum vorstellbar, dass im Großraum Strasbourg ca. 495.000 Menschen leben. Hinzu kommen noch zahlreiche Gäste wie etwa die Europaabgeordneten, die einmal im Monat mit großer Begleitung wie die Heuschrecken in die Stadt einfallen und nach einer Woche ebenso schnell wieder verschwinden. Während der Sitzungsperioden des Europaparlaments sind viele Hotels ausgebucht, die Taxis ständig unterwegs und in den Restaurants ist kaum ein freier Platz zu ergattern. Als Langzeitgäste kann man den überwiegenden Teil der mehr als 55.000 an den verschiedenen Hochschulen der Stadt eingeschriebenen Studierenden bezeichnen. In den von ihnen bevorzugten Cafés und Kneipen herrscht die typische Atmosphäre einer Universitätsstadt.
Wichtige Gäste für Strasbourg sind natürlich auch die Touristen, die in großer Zahl - pro Jahr sind es weit mehr als zehn Millionen - die Stadt besuchen. Und ihnen wird auch wirklich Außergewöhnliches geboten: die von der Ill und dem Fossé du Faux Rempart umschlossene malerische Altstadtinsel, von der UNESCO 1988 in ihrer Gesamtheit zum Weltkulturerbe erklärt, ein in seiner Größe einzigartiges Stadtviertel mit wilhelminischen Monumentalbauten, die Europameile, eine Vielzahl bedeutender Museen, um nur einige Beispiele zu nennen. Alle Sehenswürdigkeiten liegen vergleichsweise nahe beieinander und sind gut zu Fuß erreichbar. Zudem gibt es einige weitere Möglichkeiten der Stadterkundung: mit dem Schiff, einem Bähnchen oder - ganz sportlich - mit dem Fahrrad. Und natürlich kann man angenehme Verschnaufpausen einlegen: romantisch an den Ufern der Ill, auf wunderschönen Plätzen, in lebhaften Straßencafés, urigen Winstubs oder erlesenen Gourmetrestaurants. Auch am Abend kommt keine Langeweile auf. Für Unterhaltung sorgen verschiedene Theater, die Oper, zahlreiche Bars, Musikkneipen und Diskos.
Zu Strasbourg gehören aber auch zigtausend Menschen aus den ehemaligen französischen Kolonien in Afrika. Nur wenige davon sind Gäste, die meisten besitzen inzwischen einen französischen Pass, ihre Nachkommen sind bereits in Strasbourg geboren. Die meisten leben in heruntergekommenen Vorstadtvierteln, z. B. in Neuhof oder in Elsau, wo die sozialen Probleme seit Jahren vermehrt zu Gewaltausbrüchen führen - auch dies ist eine der vielen Facetten der elsässischen Hauptstadt.
Geschichte
Im Jahre 12 v. Chr. errichteten die Römer auf der heutigen Altstadtinsel, wo jahrhundertelang schon Kelten gesiedelt hatten, ein Militärlager, das sie Argentoratum nannten. Zügig bauten sie es zu einem ummauerten Kastell aus, in dem dann die II. Legio Augusta stationiert war. Später lebten auf der Insel Alemannen, auf die wohl auch der heutige Name der Stadt zurückgeht. Jedenfalls ist er als Strateburgum (Burg an den Straßen) erstmals bei dem GeschichtsschreiberGregor von Tours(538-594) bezeugt. Nach dem Sieg desMerowingerkönigs Chlodwigüber die Alemannen wurde Strateburgum ins entstehende Frankenreich eingegliedert und auch schon früh Bischofssitz. Als sich die Enkel Karls des Großen stritten und das inzwischen riesige Frankenreich zerfiel, kam Straßburg 843 zunächst zum sog. MittelreichLothars I.Knapp 30 Jahre später (870) wurde die Stadt dann im Vertrag von Meersen zusammen mit dem Elsass dem Ostfränkischen Reich, dem späteren Heiligen Römischen Reich, zugeschlagen.
Das Wahrzeichen von Strasbourg
Die Herrschaftsgewalt in der Stadt übten die jeweiligen Bischöfe aus, bis sie diese nach blutigen Kämpfen 1262 an den Adel verloren. Vom Kaiser erhielt Straßburg kurz danach zudem das Privileg einer Freien Reichsstadt und wurde damit weitgehend autonom. Die Bevölkerung nahm stark zu, die Stadt, die noch im 11. Jh. kaum über das Gebiet des einstigen römischen Kastells hinausgewachsen war, dehnte sich aus, mehrfach musste ihre Befestigung erweitert werden. Unter ihren Bewohnern waren auch zahlreiche Juden. Wie in vielen Städten des Reiches hatten sie immer wieder Schmähungen, Diskriminierungen, Verfolgungen und Pogrome zu erleiden, insbesondere auch im Z