: Kir Bulytschow
: Oktoberrevolution 1967 Science-Fiction-Erzählungen
: Memoranda Verlag
: 9783948616915
: Memoranda
: 1
: CHF 11.00
:
: Science Fiction
: German
: 270
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vom Autor vorsichtshalber vernichtet, aber nach Jahrzehnten als Abschrift im Nachlass eines Freundes wieder aufgetaucht: Die aberwitzige Titelnovelle aus dem Jahr 1968 schildert den erstaunlichen Verlauf einer fiktiven Re-Inszenierung der Erstürmung des Winterpalais anlässlich des 50. Jahrestages. »Oktoberrevolution 1967« und acht weitere meisterhafte Science-Fiction- und Phantastik-Erzählungen Kir Bulytschows aus der Zeit bis 1977 - alle in deutscher Erstveröffentlichung - machen den vorliegenden Band zu einer wahren Freude für Freunde einer SF-Literatur, in der das Fühlen, das Denken und die Motivation der in besondere Umstände geratenen normalen Menschen nicht vernachlässigt wird.

Kir Bulytschow (1934-2003) war einer der besten und beliebtesten sowjetischen und russischen Science-Fiction-Autoren. Bis zu seinem Tode sind von Bulytschow - Nachauflagen und Übersetzungen mitgerechnet - mehr als 550 belletristische Bücher in 24 Sprachen erschienen. Auf dem Gebiet der Science Fiction hat sich Bulytschow als Verfasser humoristischer Erzählungen etabliert.

2

Bereits mehrere Wochen lang war das Stadtbezirkskomitee von einer stumpfsinnigen Vorfeiertagsstimmung erfasst, derart unwirklich und andauernd, dass sie inzwischen zur Norm geworden war und eine Rückkehr zum normalen Leben fast unmöglich schien. Und sie äußerte sich seltsamerweise bei fast allen Mitarbeitern des Stadtbezirkskomitees auf ein und dieselbe Art. »Wenn das hier vorbei ist«, sagten sie im engen Kreis, »dann gehe ich in Urlaub. Ich lasse mich vierundzwanzig Tage in ­Sotschi nieder und spiele Préference.«

Aber noch war nicht die Zeit für Préference.

Kolobok bemerkte den Milizionär an der Treppe nicht sofort. Der Milizionär war vollständig durch einen Berg von Blech-­ und Sperrholzschildern mit Firmennamen und Reklame verdeckt, die, so sollte man meinen, im Stadtbezirkskomitee fehl am Platze waren.

»Zu wem wollen Sie?«, erklang eine Stimme hinter einer orangefarbenen Tafel mit der Aufschrift »Schustow-­Kognak«.

»Zu Gruschew«, antwortete Kolobok und holte seinen Parteiausweis hervor.

»Den habe ich heute eigentlich noch gar nicht gesehen«, sagte der Sergeant, während er einen Aushang mit der Aufschrift »Wirtshaus« an die Wand schob. »Das haben sie gerade hier abgeladen, aber keiner kümmert sich ums Anbringen. Dieses hier«, er zeigte auf »Wirtshaus«, »soll über unserer Tür hängen. Ich habe schon gesagt, dass mir das nicht gefällt.«

»Unsolide«, stimmte Kolobok zu. »Haben die denn nichts anderes gefunden?«

»Der Chefarchitekt hat uns das eingebrockt«, sagte der Sergeant. »Er hat in einem alten Plan nachgeschaut. Und da hat sich gezeigt, dass es so der historischen Wahrheit entspricht.«

Zwei Instrukteure der Industrieabteilung kamen gebeugt unter der Last eines vergoldeten doppelköpfigen Adlers die Treppe herunter.

Die Instrukteure drehten ihn hochkant, wie einen Flügel, und versuchten ungeschickt, ihn durch die Tür zu bringen. Der Sergeant vergaß Kolobok und eilte mit dem Ruf »Links! Links! Links!« den Instrukteuren zu Hilfe.

Kolobok stieg in den ersten Stock hinauf. Instinktiv drückte er sich mit dem Rücken an die Wand, als ihm gemessenen Schrittes ein großer Mann entgegen kam, der mit schwarzen Adlern geschmückte Epauletten trug. Beim Anblick des beiseite gesprungenen Kolobok seufzte der Mann, zog seinen Backenbart teils nach links und teils nach rechts weg, und Kolobok erkannte den Dritten Sekretär.

»Ich probiere, wie es sich anfühlt«, sagte der Sekretär. »Du hast mich nicht erkannt?«

»Nein. Sie waren sehr überzeugend. Wessen Uniform ist das