: Erik Simon, Angela Steinmüller, Karlheinz Steinmüller
: Eskapaden Phantasien und Fiktionen
: Memoranda Verlag
: 9783948616953
: Memoranda
: 1
: CHF 7.00
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: Literatur: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 286
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieser Extraband der Werkausgaben von Erik Simon und den Steinmüllers versammelt kurze Prosatexte, die am Rande der SF liegen - genauer gesagt, an ihren ganz verschiedenen Rändern - und gelegentlich auch darüber hinausreichen. Doch selbst wenn sich die Autoren mitunter in unerwartete Gefilde begeben, merkt man ihren Eskapaden an, woher sie gekommen sind. Hier finden sich futurologisch-belletristische Skizzen, Hommagen an Autoren und Bücher, fiktive Rezensionen und Interviews sowie kurze SF-Etüden, und damit ist die Vielfalt der Formen und Themen noch nicht erschöpft.

Erik Simon, Jahrgang 1950, Diplomphysiker, trug als Lektor und Heraus­geber wesentlich zur Publikation ausländischer Science Fiction in der DDR bei; selbst übersetzt hat er unter anderem Bücher von A. und B. Strugazki, Andrzej Sapkowski, Vernor Vinge und den populärwissenschaftlichen Teil vom Terry Pratchetts Wissenschaft der Scheibenwelt. Seinem Debütband als Autor Die ersten Zeitreisen (1977 zusammen mit Reinhard Heinrich) folgten weitere SF-Erzählungsbände in der DDR und im Ausland, seit 2002 schließlich die Werkausgabe »Simon's Fiction«, die nun in erweiterter Form bei Memoranda erscheint. Neben einigen internationalen SF-Preisen hat er fünfmal den Kurd-Laßwitz-Preis gewonnen, darunter zweimal als alleiniger Verfasser der besten deutschsprachigen Erzählung und einmal als Ko-Autor der Steinmüllers. / Angela und Karlheinz Steinmüller zählten zu den führenden Science-Fiction-Autoren der DDR. Angela (*1941) ist Diplom-Mathematikerin, Karlheinz (*1950) Diplom-Physiker und Doktor der Philosophie, seit den Neunzigerjahren auch einer der angesehensten deutschen Futurologen. 1989 wurde der Roman 'Andymon' zum beliebtesten SF-Buch der DDR gewählt. Die Steinmüllers wurden viermal mit dem Kurd Laßwitz Preis für die beste deutschsprachige Erzählung ausgezeichnet - Angela allein, beide zusammen sowie zu dritt mit Erik Simon.

Einfach in die Luft gehen

Eine Unterhaltung im Stau

Von Angela& Karlheinz Steinmüller

A: Manchmal wünscht man sich doch, einfach abheben zu können. Umschalthebel auf Flug, tüchtig auf das Gaspedal getreten, und schwupps braust du über den Stau hinweg. Die anderen Autofahrer schauen dumm hoch. Man müßte ja nicht einmal weit fliegen – das Fliegen kostet bestimmt eine Menge Energie –, nach dem Stauende könnte man wieder sacht heruntergehen und auf der freien Straße weiterfahren.

K: Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ist die Idee für das Flugauto nicht aus dem Frust über den Stau auf der Autobahn heraus geboren worden. Sie ist älter als die Autobahnen – vielleicht so alt wie das Automobil selbst. Wenn ich mir die Schokoladenbildchen von 1900 anschaue oder auch die wunderschönen Karikaturen von Albert Robida um 1890: Da fliegen Luftdroschken und Aero-Omnibusse über Paris, holen die Bürger von ihrem Balkon im sechsten Stock zum Opernbesuch ab. Notre-Dame ist zur zentralen Luftibus-Anlegestelle umgebaut worden, die Luftpolizei jagt hinter fliegenden Verbrechern her. – Wie fürchterlich! Man muß nun auch die Fenster in den oberen Etagen vergittern!

A: Aber der Verbrecher sitzt doch eher auf einer Art Luft-Motorrad, nicht in einer behäbigen Luftkutsche. Und vergiß einmal Paris. Denk an Berlin. Das versucht 1890 noch mitzuhalten. In Oscar Justinus’ Roman »In der Zehnmillionen-Stadt« gibt es geflügelte Velicopede, Luft-Fahrräder, auf denen die jungen Damen buchstäbliche Aus-Flüge in die Vorstädte unternehmen und am Ziel sanft herniederschweben.

K: Muß ein toller Anblick gewesen sein!

A: Vielleicht also kamen noch vor den Flugautos die Luft-Fahrräder. Die sind viel umweltfreundlicher, und beste HighTech im Geiste von Leonardo da Vinci und Otto Lilienthal. Und in dem von dir so geschätzten Film »Die Erfindung des Verderbens« von Karel Zeman (1957) radeln die Leute auch durch den stahlstichgrauen Himmel.

K: Das sind aber lenkbare Luftschiffe mit Beinmuskel-Antrieb, sehr frei nach Jules Verne, der übrigens in einem anderen Roman sogar schon »fusiforme«, also geschoßförmige Drei-Medien-Fahrzeuge beschreibt: Sie bewegen sich unter Wasser, auf der Erde, in der Luft.

A: Das berühmte Fliewatüüt – im Kinderbuch, wo es auch hingehört.

K: Sagen wir Jugendbuch, dann klingt es nicht ganz so abwertend. Und natürlich hatte Verne Dutzende Nachahmer in Frankreich, Deutschland und anderswo. Auch das Wort »Aeromobil« taucht damals schon auf.

A: Zu dieser Zeit hüpften aber bereits die ersten Doppeldecker über den Ärmelkanal. Sind nicht eher Luftschiffe die Vorläufer? Kommen die Aeromobile nicht sogar noch vor den Aeroplanen? Erinnere dich einmal an die Illustrationen zu Émile Souvestres Roman »Die Welt, wie sie sein wird« von 1846. Da spannte man Luftballone vor die Kutschen wie Pferde.

K: Physikalisch funktioniert das so wenig wie die fliegenden Autos in den modernen SF-Streifen. Und davon gibt es viele – von »Star Wars« bis hin zu Bruce Willis als Lufttaxist in »Das fünfte Element«. Ein Wahnsinnsverkehr in den Wolkenkratzerschluchten, kreuz und quer, auf und ab, daß sich einem der Magen umdreht, Karambolagen jeglicher Art, hinter Häuserecken lauern Polizeiautos. Nur wie diese Autos fliegen, erfährt man nicht. Es genügt halt ein Gaspedal.

A: Das ist ja auch ein Comic in Form eines Filmes. Mit der Zukunft hat das nichts zu tun.

K: Aber mit den am weitesten verbreiteten Zukunftsbildern. Aus denen läßt sich das Flugauto nun einmal nicht ausradieren. Ab und zu führe ich doch Zukunftswerkstätten durch und lasse die Teilnehmer frei phantasieren. Was kommt raus? Haush