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Die vielen Masken von Trauma
„Trauma“ ist das griechische Wort für „Wunde“, und „Psyche“ ist das lateinische Wort für „Seele“. Mit diesen uralten Worten sind sowohl der klinische Begriff „psychisches Trauma“ als auch der poetische Ausdruck „Seelenwunde“ verbunden. Letzterer scheint mir wesentlich besser zu vermitteln, welch tiefe Qualen und welches Leiden im Allgemeinen mit einem Trauma verbunden sind. Der Schmerz durch solche Wunden – körperlich, emotional, psychisch und spirituell – kann jeden Bereich des menschlichen Lebens betreffen, und oft sind die Auswirkungen verheerend: ein zerstörtes Weltbild, ein gebrochenes Selbstgefühl, der Verlust von Vertrauen, Sicherheit oder Sinn, um nur einige Beispiele zu nennen.
Seelenwunden können in jedem Alter auftreten. Bei manchen Menschen beginnt das Trauma in der Kindheit mit dem Missbrauch durch Bezugspersonen, andere sind schon erwachsen, wenn etwas ihre Welt zerreißt. Wenn solche das ganze Leben erschütternde Ereignisse auftreten, können sie alles in Mitleidenschaft ziehen: Beziehungen, Beruf, Freizeit, Finanzen, physische und mentale Gesundheit, ja die Struktur des Gehirns selbst.
In der ACT, der Akzeptanz- und Commitment-Therapie, beschäftigen wir uns intensiv mit jedem Aspekt solcher seelischer Wunden – mit Kognitionen, Emotionen, Erinnerungen, Körperempfindungen, Impulsen, physiologischen Reaktionen und dem Körper selbst. Gelegentlich stellt das eine große Herausforderung für uns dar. Es löst unweigerlich eigene schmerzhafte Gedanken und Gefühle aus. Das können Angst, Traurigkeit oder Schuldgefühle sein, Frustration oder Enttäuschung, Sich-Sorgen, Selbstzweifel oder Selbstkritik. Wenn wir jedoch unangenehme Gefühle zulassen, tief in unser Mitgefühl hineinspüren und einen besonderen, geschützten Raum schaffen, einen Raum, in der wir Seite an Seite mit unseren Klientinnen und Klienten stehen und ihnen helfen, ihre Vergangenheit zu heilen, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen und eine neue Zukunft aufzubauen, dann ist unsere Arbeit zwar oft sehr anstrengend, aber auch zutiefst lohnend.
Was ist Trauma?
Erstaunlicherweise findet man problemlos eine Definition für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), aber es ist schwer, auf eine klare Definition von Trauma zu stoßen. Damit wir uns nicht missverstehen, folgt hier meine eigene. Es ist nicht die „richtige“ oder die „beste“ Definition, sondern nur eine, die für unsere Zwecke funktioniert.
Bei einem „traumatischen Ereignis“ ist ein signifikanter Grad an tatsächlicher oder angedrohter körperlicher oder psychischer Verletzung vorhanden. Das Spektrum reicht von Fehlgeburt bis Mord, von Scheidung, Tod und Katastrophen bis zu Gewalt, Vergewaltigung und Folterung, von Unfällen, Verletzungen und Krankheiten bis zu der medizinischen und chirurgischen Behandlung dieser Dinge. Handeln kann es sich auch um Ereignisse, bei denen wir etwas, was unser moralisches Gefühl verletzt oder ihm zuwiderläuft, anstiften, begehen, nicht verhindern oder beobachten.
Zu einer „traumatischen Störung“ gehören:
- die direkte oder indirekte Erfahrung traumatischer Ereignisse,
- quälende emotionale, kognitive und physiologische Reaktionen auf diese Erfahrung,
- die Unfähigkeit, wirksam mit den eigenen quälenden Reaktionen umzugehen.
Wenn ich in diesem Buch das Wort „Trauma“ verwende, steht das für „traumatische Störung“, einen Sammelbegriff für eine riesige Zahl an durch Trauma ents