PROLOG
Marcie stand neben ihrem limonengrünen Volkswagen und zitterte in der Novemberkälte, denn die Morgensonne hatte sich gerade erst über dem Horizont blicken lassen. Ihr Wagen war gepackt und sie wollte aufbrechen. Sie war ebenso aufgeregt, wie sie sich vor diesem Vorhaben fürchtete. Auf dem Rücksitz stand eine kleine Kühltasche mit Snacks und Limonaden. Im Kofferraum hatte sie eine Kiste Wasser verstaut, und auf dem Beifahrersitz lag eine Thermoskanne mit Kaffee. Sie hatte einen Schlafsack mitgenommen, für den Fall, dass die Bettwäsche in einem der Motels ihren Ansprüchen nicht gerecht würde; an Kleidung hatte sie vor allem Jeans, Sweatshirts, dicke Socken und Stiefel in ihre Reisetasche gepackt, alles geeignet, um kleine Bergdörfer abzuklappern. Sie war ganz kribbelig, endlich aufbrechen zu können, aber ihr jüngerer Bruder Drew und ihre ältere Schwester Erin zögerten den Abschied hinaus.
»Hast du alle Telefonkarten dabei, die ich dir gegeben habe? Für den Fall, dass du mal keinen Handyempfang hast?«, fragte Erin.
»Habe ich.«
»Hast du auch wirklich genug Geld?«
»Ich werde zurechtkommen.«
»In weniger als zwei Wochen ist Thanksgiving.«
»So lange wird es kaum dauern«, versprach Marcie, denn hätte sie etwas anderes gesagt, würde die ganze Auseinandersetzung von vorne losgehen. »Ich rechne damit, dass ich Ian ziemlich schnell finden werde, denn ich glaube, dass ich ungefähr weiß, wo er sich aufhält.«
»Überleg es dir noch mal, Marcie«, flehte Erin in einem letzten Versuch. »Ich kenne ein paar der besten Privatdetektive der Branche – die Anwaltskanzlei arbeitet ständig mit ihnen zusammen. Wir könnten Ian ausfindig machen und ihm die Sachen, die du ihm zukommen lassen willst, schicken.«
»Das haben wir doch bereits besprochen«, erwiderte Marcie. »Ich will ihn sehen, mit ihm reden.«
»Wir könnten ihn doch erst einmal finden, und dann könntest du …«
»Sag du es ihr, Drew«, wandte Marcie sich an ihren Bruder.
Drew holte Luft. »Sie wird ihn finden, mit ihm reden, herausfinden, was mit ihm los ist, Zeit mit ihm verbringen, ihm die Baseballkarten geben, ihm den Brief zeigen, und dann wird sie nach Hause kommen.«
»Aber wir könnten …«
Marcie legte ihrer älteren Schwester eine Hand auf den Arm und sah sie mit einem entschlossenen Blick aus ihren grünen Augen an. »Hör auf damit. Ich komme in meinem Leben nicht weiter, wenn ich es nicht mache, und ich werde es auf meine Weise tun, nicht auf deine. Wir haben genug darüber geredet. Ich weiß, dass du es für dumm hältst, aber es ist das, was ich tun werde.« Sie beugte sich vor und gab Erin einen Kuss auf die Wange. Erin, die so völlig anders war als Marcie – gepflegt, schön, vollendet und kultiviert –, war wie eine Mutter für Marcie, seit sie ein kleines Mädchen war, und es fiel ihr schwer, das Bemuttern aufzugeben. »Mach dir keine Sorgen. Es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest. Ich werde vorsichtig sein. Und ich werde nicht lange bleiben.«
Dann gab sie Drew einen Kuss auf die Wange und sagte: »Kannst du ihr nicht Xanax oder so etwas besorgen?« Drew studierte Medizin und – nein –, er durfte keine Rezepte ausstellen.
Er lachte, legte die Arme um Marcie und drückte sie einen Moment lang fest an sich. »Mach schnell, und sieh zu, dass du es hinter dich bringst. Erin wird mich wahnsinnig machen.«
Ma