Eine Zwangserkrankung kann vielfältige Ursachen haben. Zumeist wirken unterschiedliche Einflüsse zusammen und ergeben ein komplexes Geflecht, das sich nur schwer durchschauen lässt. Darum werden in diesem Kapitel die einzelnen möglichen Faktoren getrennt dargestellt.
Am Ende laden wir Sie dazu ein, einen Blick in das Dickicht der Entwicklung der eigenen Zwangserkrankung zu werfen.
(Susi Schaaf, Bellheim)
Wir wissen, dass viele Faktoren eine Rolle spielen können. Es wäre falsch anzunehmen, dass irgendeine einzige Begebenheit in der Biographie eines Menschen zu einer so komplexen Erkrankung führen kann. Es sind vielmehr verschiedene Faktoren, die beim Einzelnen zum Ausbruch einer Zwangserkrankung führen. Wir sprechen deshalb von einem multifaktoriellen Bedingungsgefüge mit psychologischen, psychosozialen und biologischen Aspekten.
Im Folgenden wollen wir diese drei Aspekte näher beleuchten und anschließend gemeinsam mit Ihnen schauen, wie sich die Zwänge bei Ihnen persönlich eingeschlichen haben könnten.
Es gibt einige Persönlichkeitsmerkmale, die bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Zwängen eine Rolle spielen können. Ein hohes persönliches Verantwortungsgefühl gepaart mit Perfektionismus ist ein typischer Persönlichkeitszug im Zusammenhang mit Kontrollzwängen, wie das folgende Beispiel verdeutlicht.
Alles muss ordnungsgemäß kontrolliert werden
Ein Angestellter in einer öffentlichen Dienststelle entwickelte einen ausgeprägten Kontrollzwang. Beim Schriftverkehr mit offiziellen Stellen hatte er das Gefühl, das verfasste Schriftstück sei nicht ordentlich, entsprechend den formalen Anforderungen, abgefertigt worden. Briefkopf, Absender, Anschrift, Seitenränder, Textgröße, Unterschriften etc.: So vieles kann falsch sein. Die Vorstellung, einen falschen Absender oder gar den falschen Adressaten gewählt zu haben, machte es dem Angestellten bald unmöglich, überhaupt noch den dienstlichen Verpflichtungen nachzukommen.
Er hatte es sich angewöhnt, bis weit nach offiziellem Dienstschluss an seiner Arbeitsstelle zu bleiben. Erst dann hatte er genügend Zeit, die am Tage angefertigten Schriftstücke »ordnungsgemäß« zu kontrollieren. Es konnte Stunden dauern, bis er sein Tagewerk beendet hatte, um dann mit einem einigermaßen erträglichen Gefühl nach Hause zu gehen.
Er war dabei so vorsichtig vorgegangen, dass die unmittelbaren Arbeitskollegen viele Jahre ihren Kollegen als unauffällig eingeschätzt hatten. Erst als die Ehefrau sich Sorgen machte, warum ihr Mann Tag für Tag spät aus dem Büro kam, Schlafstörungen hatte, gereizt und insgesamt sehr unausgeglichen war, konnte sich der Betroffe