Die Lyngenalpen.
Er wollte es schon immer: Unterwegs sein. Es lag im Blut. Stefan musste immer früh raus, nicht erst beim ersten Sonnenstrahl, denn da ist er längst da. Auch der letzte hat seinen ganz besonderen Reiz für ihn, er bleibt bis zum Schluss des Tages, bis zum letzten Lichtschein. Aber er kommt wieder. Zurück, nach Hause, ins Gewohnte, scheinbar Sichere, Geborgene und Warme.
Stefan, gerade fünf geworden.
Hügelig ist’s dort, wo er diese Erde betrat. Maingegend, Weingegend, Fachwerkgegend. Würzburg ganz nah. Karlstadt-Wiesenfeld, der Main gleich nebenan. Unterfranken, Bayern, gerade noch. Heimat der Mutter. Und mal Soldaten-Station des Vaters. Die lernten sich beim Klettern kennen und bald lieben. Aber es ging rasch zurück in die nähere Heimat von Papa Willi, der in Rankham bei Bad Endorf zur Welt kam und später am Bodensee lebte. Sein Vater war schon bei der Bundeswehr und wurde viel versetzt. Über Reit im Winkl und den Chiemsee, dort verbrachte Willi Wiebel den Großteil seiner Jugend, erreichten sie später Bad Reichenhall. Hier kam knapp ein Jahr nach der Geburt Stefans, also im Juni 1971, seine Schwester Simone zur Welt. Beide wuchsen in der Kurstadt auf, im „richtigen Bayern“, wie Stefan sagt. In Oberbayern, mehr Freistaat geht nicht. Richtige Berge, nicht nur Hügel wie am Main, die Felsen schroff und steil, so imposant, so hell der Kalkstein. Er fand das alles immer faszinierend und anziehend. Von Anfang an. Es lag im Blut. Sein Vater war bis 1980 Heeresbergführer bei den Gebirgsjägern, stationiert in der deutschen Hauptstadt des Salzes. Stefan ist ein Reichenhaller: „Ja, ich fühl' mich so, ohne Wenn und Aber“. Seine Schwester Simone lebt heute in Berchtesgaden.
Klettern war schon immer seine Sache.
Die Schule war ihm immer ein Dorn im Auge: „der blanke Horror“. Zwischen den Bänken saß er und schaute aus dem Fenster, träumte von fernen Ländern. Und vom Ende der letzten Stunde: War die geschafft, ging’s sofort raus in die Natur, zum „Staffabrucka Stoabruch“, gefährliche Kletterspiele über der Saalach, zum Streunen und Lausbuben-Geschichten aushecken, im Wald über dem Strailach-Weg – und mit erst zwölf Jahren und Papa Willi das erste Mal durch die berüchtigte Watzmann-Ostwand. Dort, wo Jahr für Jahr mindestens ein Kletterer sein Leben lässt. Nicht nur in der Göll-Westwand ging’s später ordentlich zur Sache, die Schwierigkeitsgrade stiegen. An den Gleitschirm hingen sie ihn (zu) früh, 14 oder 15 war er gerade einmal: Am Haiderhof bei Schneizlreuth landete Stefan prompt in einem Apfelbaum. Das erschreckte ihn und seine Eltern. Aber nur kurz. Er wurde aufs Leben vorbereitet, mit allen „Aufs und Abs“.
Aufklärende Lieder
Als14-Jähriger einen Sommer am Berg.
Die kompletten Sommerferien 1984 verbrachte Stefan in primitivsten Verhältnissen: Ferienjob auf 2.941 Metern, in einer Biwakschachtel am Hochkönig. Das heutige Franz-Eduard-Matras-Haus wurde gebaut, denn das Schutzhaus, bereits 1898 errichtet, fiel am 4. Mai 1982 einem Brand zum Opfer. Das Wiedereröffnungsfest stieg am 1. September 1985. Stefan half Hüttenwirt Hermann Hinterhölzl und den Handwerkern, die sich die Bergklinke in die Hand gaben: Maurer, Installateure, Dachdecker, Maler. Er kochte: „Na ja, ich wärmte Dosenfutter auf, jeden Tag die gleiche Pampe mit Tomaten, Reis, Paprika und Hackfleisch“, schmunzelt er heute. Es gab eine spezielle Dosenpresse, das erleichterte die Sache ein wenig. Stefan putzte die Unterkunft und wusch die Wäsche der Arbeiter. Erstaunliches Selbstbewusstsein, erstaunliche Selbstständigkeit, erstaunliches Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen eines Jungen, der schon immer wusste, was er wollte, was er tat, und der seine Ziele anpackte ohne vorab großartig zu lamentieren. Am Hochkönig genoss Stefan schon damals, als Heranwachsender, den Ausblick auf über 200 Dreitausender, vom Toten Gebirge über den Großglockner bis zur Zugspitze, erlebte sagenhafte Sonnenauf- und-untergänge. Er fühlte sich von Anfa