Teplitz
Jetzt, da ich im Alter kein Vaterland und keine Heimat mehr habe, ja eigentlich keinem Volk mehr so recht zugehöre, bin ich das geworden, wozu ich wohl von Anfang an angelegt gewesen war, ein Europäer, und fühle mich in den meisten Ländern unseres Kontinents zu Hause, so wie früher in allen Teilen der alten k. u. k. Monarchie – diesem Vorläufer eines gesamteuropäischen Gemeinwesens, wenn ein solches je entstehen sollte. Als Diplomatenkind nahm ich immer etwas von den Ländern auf, in denen mein Vater auf Posten war, am meisten wohl von England – unsere »Miss« hatte da durch ihre Erziehungskünste brav vorgearbeitet. Sehr hing ich an Wien, der Kaiserstadt, und später, seit meiner Studienzeit, auch an Prag; am allermeisten aber doch an Teplitz, wo meine Familie seit dem Dreißigjährigen Krieg beheimatet war. Wir liebten das Schloss, die Landschaft, die Wälder, das Erzgebirge, auch die Luft trotz des leichten Kohlendunstes. Nicht lange vor ihrem Tod, im Jahre 1954, war meine ältere Schwester, Elisalex de Baillet Latour, bei uns in Venedig; es war Sommer und sie saß am offenen Fenster, ein leichter Wind blies von den Fabriken in Mestre herüber, da sagte sie: »Wie köstlich, es riecht ja wie in Teplitz!«
Kein Wunder, dass wir von der Stadt so viel erfahren wollten, wie nur möglich war. Sicher gab es in Böhmen viele größere und schönere, auch in schönerer Lage befindliche Schlösser, aber irgendwie hatte Teplitz einen besonderen Charme, den auch unsere Gäste aus nahen und fernen Ländern spürten. Wir ha