Die autonome Region Tibet, heute staatsrechtlich zu China gehörig, liegt auf dem tibetischen Hochplateau, oft als „Dach der Welt“ bezeichnet. Die überlieferte Medizin der Tibeter gehört zu den weltweit ältesten, durchgehend praktizierten Heiltraditionen. Das System ist mehr als 2000 Jahre alt und besticht durch seine Logik und Ganzheitlichkeit.
Trotz eines bewegten Schicksals wurde die Tibetische Medizin über viele Jahrhunderte in den Himalajagebieten, Teilen Chinas, der Mongolei und anderen buddhistisch beeinflussten Regionen Asiens erfolgreich praktiziert.
Da sie untrennbar mit dem buddhistischen Weltbild verbunden ist, hat die Tibetische Medizin eine völlig andere Charakteristik und Ausrichtung als unser westliches System. Sie ist mehr als eine bloße Faktensammlung – als Medizin für Körper, Geist und Seele weist sie den „Weg zum rechten Leben“.
Eine wechselvolle Geschichte
Ausgehend von der jahrtausendealten schamanistischen Bön-Tradition existierte in Tibet seit ältester Zeit eine medizinische Überlieferung. Mit der Einführung des Buddhismus und der tibetischen Schrift im 7. Jh. n. Chr. durch König Songtsen Gampo, verband sich dieses medizinische Wissen mit chinesischen, indischen und persisch-hellenistischen Quellen. Im Jahre 800 fand unter Yutog Yonten Gonpo dem Älteren, Leibarzt des tibetischen Königs, erstmals eine Versammlung asiatischer Medizinexperten statt. Die alten Überlieferungen wurden diskutiert, verglichen und aus einer Zusammenfassung der besten Texte das eigenständige tibetische Medizinsystem gebildet.
In diese Zeit fällt auch eine erste Übersetzung des grundlegenden Referenzwerkes der Tibetischen Medizin, später„Die Vier Tantras“ (Gyüshi/rgyud-bzhi) genannt, durch den berühmten Gelehrten Vairocana.
Als größter tibetischer Arzt aller Zeiten und 14. Inkarnation (Verkörperung) des Medizin-Buddha gilt Yutog Yonten Gonpo der Jüngere. Er brachte im 12. Jh. die Vier Tantras in ihre heute maßgebliche Form. In 156 Kapiteln und 5900 Versen beschreibt dieses Medizinwerk 1600 Krankheiten und 2293 Heilmittelzutaten. Neben vielen anderen Schriften wurden die Vier Tantras im 17. Jh. durch den Kommentar„Blauer Beryll“ ergänzt. Der 5. Dalai Lama, der als Einiger Tibets und großer Förd