Kapitel 2:
ÜBE(R) DEN MUT ZU GLAUBEN
Auch in diesem Kapitel wirst du nichts von großen Märtyrerinnen oder unerschrockenen Glaubenshelden aus Geschichte und Gegenwart lesen. Ich werde dir keine Zeugnisse mutigen Gottesgehorsams erzählen und dir damit womöglich ein schlechtes Gefühl geben. Vielleicht geht es dir da so wie mir: Ich bekomme immer etwas Bauchschmerzen, wenn ich von den Verfolgungen höre, die Menschen aufgrund ihres Glaubens drohen – egal, welcher Glaube das ist. Aber vor allem, wenn es um die Verfolgung von Christinnen und Christen geht, meldet sich mein schlechtes Gewissen. Als Erstes denke ich daran, wie unvorstellbar herausfordernd es sein muss, unter solchen Umständen den Glauben nicht zu verlieren oder zu verleugnen, und auch daran, wie leicht mir mein Glaube im Vergleich dazu fallen müsste. Das bringt mich zu Vorwürfen, die ich mir selbst mache. Ich denke dann, ich würde zu wenig glauben, beten, Gott vertrauen … und viel zu sehr an meinem Leben auf dieser Erde hängen.
Wenn wir Glauben (im Sinne von öffentlich für den Glauben einstehen) auf einer Skala messen würden, käme meiner nicht ansatzweise heran an den von Menschen, die tagtäglich Bedrohungen ausgesetzt sind, weil sie glauben. To be honest: Für einen Glauben unter solchen Umständen wäre ich wahrscheinlich nicht mutig genug. Eine solche Art von Mut kann ich hier in diesem Buch und mit meinen (Gott sei Dank!) mangelnden Erfahrungen auf diesem Gebiet gar nicht thematisieren. Ich weiß aber sicher, dass es heute grundsätzlich Mut bedarf, um zu glauben. Wenn du glaubst, riskierst du, von anderen schief angeschaut zu werden, stellst dein Leben auf eine Basis, die als veraltet gilt, und hast eben doch nie eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, die sich berechnen lässt wie in der Wissenschaft. Glaube ist immer ein Schritt ins Ungewisse. Glaube braucht Vertrauen – und Mut.
Meine Glaubensreise
Ich erinnere mich an ein Weihnachtsfest in meiner Kindheit, zu dem ich eine Bibel geschenkt bekam. Ich erinnere mich auch daran, wie enttäuscht ich von diesem Geschenk war. Es war eine moderne Übersetzung in einem designmäßig höchst fragwürdigen Look. Optisch war ich also schon mal sehr abgeschreckt und auch sonst war es mir unergründlich, weshalb meine Eltern dachten, ich würde mich über ein solches Geschenk freuen. Ich weiß noch genau, wie ich abends im Bett lag und mir ausgerechnet habe, was ich für das Geld, das die Bibel gekostet hatte, sonst hätte kaufen können. Ich glaube, meine Wahl wäre auf eine CD von Tokio Hotel gefallen.
Meine CDs von damals habe ich heute nicht mehr, aber diese hässliche Bibel existiert noch. Ich habe ihr Design verschlimmbessert, indem ich versuchte, sie anzumalen und zu bekleben. Am Inhalt hat sich aber nichts geändert.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich zum ersten Mal wirklich bewusst in ihr las. Das war im Konfirmationsunterricht. Als ich anfing, dorthin zu gehen, war mir nicht so wirklich klar, was Glaube eigentlich ist. Wenn er so sein sollte wie das Bild, das ich bisher von Kirche hatte, glich er in seiner Attraktivität der hässlichen Bibel. Menschen, die in die Kirche gingen, fand ich mit zwölf Jahren ausgesprochen langweilig und uncool (ja, damals war das noch ein Wort). Noch viel suspekter waren mir aber die wenigen Gleichaltrigen, die mir ständig von Gott, diesem alten Mann, erzählen wollten. Sie kannte ich nicht aus dem Konfi-Unterricht, sondern über Umw