Zwischen 1001 Nacht und Großstadtrausch
An Deck der großen Fähre, die mich von Kadıköy über den Bosporus nach Karaköy bringt, stehe ich, die Augen geschlossen, atme die frische Meeresbrise tief ein, höre das Kreischen der Möwen und die Wellen, die gegen den Schiffsbug peitschen.
Nun öffne ich meine Augen: Vor mir breitet sich die atemberaubende Skyline von Istanbul aus. Bei diesem Anblick kann ich regelrecht spüren, wie die Glückshormone durch meinen Körper purzeln und wie die Vorfreude auf die Zeit in meiner Geburtsstadt wächst. Istanbul ist auch für mich, der ich in dieser Stadt geboren bin, immer noch ein einziges Abenteuer. Ausgrabungen belegen, dass die Stadt lange vor ihrer Zeit als Byzantium (oder Byzanz), einer Kolonie unter römischer Herrschaft, dicht besiedelt war und die Menschen dort früh um ihre strategisch einzigartige Lage am Schwarzen Meer wussten. Damals wie heute: Diese Stadt besitzt eine eigene Magie. Durch Istanbuls Straßen zu bummeln ist für mich immer wie ein Gefühl aus 1001 Nacht und purem Großstadtrausch. Die gemütlichen Szene- und Künstlerviertel vermitteln wieder ein ganz anderes Feeling als die Basare oder die Touristenattraktionen und wieder ein anderes als die wohlhabende Gegend weiter nördlich auf der europäischen Seite. Doch gerade dieses Reinschnuppern, das Eintauchen in alle diese unterschiedlichen Welten und deren Flair, macht den Trip so spannend.
Wir legen an in Sirkeci, einem trubeligen Stadtteil im geschichtsträchtigen Hafenviertel Eminönü westlich des Goldenen Horns. Gegründet wurde er bereits im 7. Jh.v.Chr., als die Stadt den Namen Byzantium trug. Am Ufer des Bosporus gelegen, ist Sirkeci die einzige Anlegestelle der großen Autofähre. Täglich passieren unzählige unterschiedliche Schiffe und Fähren den Bosporus, von denen viele hier Halt machen. Es ist also ordentlich was los, vor allem tagsüber. Seit frühester Jugend kenne ich diese Straßen und habe die Entwicklung des Viertels seit rund 50 Jahren miterlebt. An Sirkeci erinnere ich mich noch gut aus dieser Zeit, da mein Onkel in diesem Marktviertel einen Maschinenvertrieb leitete. Damals ging es hier viel hektischer und unstrukturierter zu. Mir fällt auf, dass heute nicht mehr ein solches Durcheinander herrscht wie früher. Vieles wurde saniert, was sich beim Spaziergang durch das Hafenviertel angenehm bemerkbar macht.
»I‘m singing in the rain«: Und glauben Sie mir, in Istanbul kann es heftig regnen!
Treffpunkt Orient Express
Der erste Ort, den Sie sich hier unbedingt ansehen sollten, ist der alte Bahnhof der Endstation des »Orient Express«, heute der Bahnhof Sirkeci. Dieser wunderschöne historische Bahnhof wurde 1888 erbaut. Er befindet sich zum größten Teil noch im Originalzustand und beherbergt ein reizendes Café-Restaurant, das früher einmal ein beliebter Treff für Menschen der Medienwelt war. Außerdem gibt es noch ein kleines Eisenbahnmuseum (Eintritt frei), in dem man Originalexponate – z.B. die alte Bahnhofsuhr – sowie Bilder und Zeitungsartikel aus der Ära, in der der Bahnhof noch in Betrieb war (bis 2013) bestaunen kann. Ein schöner und ruhiger Ort, der mit seinen farbenprächtigen Fenstern im Baustil des europäischen Orientalismus ein echter Blickfang ist.
HÄTTEN SIE’S GEWUSST?
Bahnhof Sirkeci
… dass der Erbauer des Bahnhofs August Jasmund hieß, von der Insel Rügen stammte und ein preußischer Baubeamter war? Eine Forschungsreise hatte den jungen Architekten im Januar 1888 in die Türkei geführt, um die byzantinische und