: Volker Wortmann
: Authentisches Bild und authentisierende Form
: Herbert von Halem Verlag
: 9783869626536
: 2
: CHF 21.40
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: Kommunikationswissenschaft
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Authentizität ist ein schillernder Begriff, der in unterschiedlichen Kontexten sehr Unterschiedliches bedeuten kann, der in Fachdiskursen ebenso zu Hause ist wie in den Diskursen der Populärkultur oder in der Alltagssprache. Für manche ist Authentizität das »Schlagwort der Stunde«, während andere den Begriff kaum verwenden, ohne ihn zugleich zu problematisieren. Das gilt auch und gerade in den Bildmedien, in denen Authentizität als Konzept immer wieder hinterfragt, umspielt, ebenso oft eingefordert wie verworfen wird. In seinem Buch zum authentischen Bild geht Wortmann von einem nicht-normativen, einen an Raum und Zeit gebundenen, konstruktivistischen Authentizitätsbegriff aus, den er in den Bilddiskursen verschiedener Epochen - von der Antike bis zur Gegenwart - aufspürt und im Hinblick auf seine Funktionsweisen untersucht. »Selbst die größten Authentizitätsverächter werden konstatieren müssen, dass Authentizität ein Begriff mit Konjunkturen ist, ein Begriff wie ein Symptom, das in regelmäßigen Abständen aus den Ablagefächern der Geschichte aufsteigt und durch Fachdiskurse und Feuilletons geistert - mal als emphatische Beschwörungsformel, mal als großes Lamento über seinen Verlust, schließlich als Beschwerdeführung darüber, dass alle Welt von Authentizität spreche, man das ganze Echtheits- und Authentizitätsgerede aber als Zumutung empfinde.« Zwanzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung wurde das Buch in Teilen überarbeitet und um ein neu verfasstes Schlusskapitel zur Authentizität nach der Fotografie ergänzt, das die Authentizitätsdiskurse um das digitale Bild und um die Bilder der KI-Bildgeneratoren auf ihre Dynamiken und ihr Authentizitätspotenzial hin untersucht.

Volker Wortmann, geb. 1965, ist Senior Lecturer am Institut für Medien, Theater und populäre Kultur der Universität Hildesheim. Er war Stipendiat der DFG im Graduiertenkolleg Authentizität als Darstellungsform und promovierte im Jahr 2000 mit der vorliegenden Arbeit zum Authentischen Bild. In den letzten zwanzig Jahren sind zahlreiche Texte erschienen zum Making of, zur Mediendiskursgeschichte und zur Ästhetik des Dokumentarfilms.

Vorwort zur zweiten, überarbeiteten Auflage


Als ich mich vor mehr als zwanzig Jahren erstmals aus akademischer Perspektive dem Problem der Authentizität näherte, war der Begriff für die Kulturwissenschaften bereits erledigt. DerStrukturalismus hatte uns gelehrt, dass alles Text sei und ein Schritt zurück hinter die Zeichenhaftigkeit der Welt unmöglich; dieDekonstruktion hatte uns vor Augen geführt, dass die Wesenskerne der Welt als beliebige Setzungen verstanden werden müssten, die wie modrige Pilze zerbröseln, wenn man nur genau genug hinschaute; schließlich insistierte derKonstruktivismus darauf, dass eine objektive Wirklichkeit, unabhängig von sozialen Aushandlungen und Einschreibungen, nicht denkbar sei. Für ein essentialistisches Konzept wie das der Authentizität waren das keine guten Voraussetzungen. In einem seinerzeit vielbeachteten Aufsatz schrieb der Literaturwissenschaftler Helmut Lethen: »Was ›authentisch‹ ist, kann nicht geklärt werden. Mich interessiert, welche Verfahren den Effekt des ›Authentischen‹ auslösen können bei einem Publikum, das die Möglichkeit von Authentizität eher skeptisch einschätzt« (1996: 209).

Von Authentizität wurde also nicht mehr gesprochen, stattdessen von Authentizitätseffekten und Authentisierungsstrategien. Auch in dem Buch, das sie gerade aufgeschlagen haben, wird viel von Effekten und Strategien die Rede sein. Insofern ist der Text erkennbar mit seiner Entstehungszeit verbunden. Seinerzeit ging man davon aus, dass Authentizität als Beschreibungskategorie mit der konsequent fortschreitenden Entzauberung von Welt in die Asservatenkammer der Kulturgeschichte durchgereicht werden könne. Diesbezüglich war ich mir nicht so sicher.

Mein Interesse bestand zunächst darin zu verstehen, wie es sein kann, dass man sich von dem Authentizitätsversprechen (eines musealen Gegenstands, eines Kunstwerks, einer theatralen Aufführung, eines dokumentarischen Films) selbst dann affizieren lässt, wenn man um all seine historischen, kulturellen und sozialen Vorbedingungen weiß, sozusagen wider besseres Wissen und das vielleicht sogar mit Genuss. Jean-Louis Comolli hatte im Kontext der Apparatus-Theorie über das Kino und die Realitätseffekte des Films etwas Vergleichbares beschrieben: »[T]he spectator is anyhow well aware