Als ich mich vor mehr als zwanzig Jahren erstmals aus akademischer Perspektive dem Problem der Authentizität näherte, war der Begriff für die Kulturwissenschaften bereits erledigt. DerStrukturalismus hatte uns gelehrt, dass alles Text sei und ein Schritt zurück hinter die Zeichenhaftigkeit der Welt unmöglich; dieDekonstruktion hatte uns vor Augen geführt, dass die Wesenskerne der Welt als beliebige Setzungen verstanden werden müssten, die wie modrige Pilze zerbröseln, wenn man nur genau genug hinschaute; schließlich insistierte derKonstruktivismus darauf, dass eine objektive Wirklichkeit, unabhängig von sozialen Aushandlungen und Einschreibungen, nicht denkbar sei. Für ein essentialistisches Konzept wie das der Authentizität waren das keine guten Voraussetzungen. In einem seinerzeit vielbeachteten Aufsatz schrieb der Literaturwissenschaftler Helmut Lethen: »Was ›authentisch‹ ist, kann nicht geklärt werden. Mich interessiert, welche Verfahren den Effekt des ›Authentischen‹ auslösen können bei einem Publikum, das die Möglichkeit von Authentizität eher skeptisch einschätzt« (1996: 209).
Von Authentizität wurde also nicht mehr gesprochen, stattdessen von Authentizitätseffekten und Authentisierungsstrategien. Auch in dem Buch, das sie gerade aufgeschlagen haben, wird viel von Effekten und Strategien die Rede sein. Insofern ist der Text erkennbar mit seiner Entstehungszeit verbunden. Seinerzeit ging man davon aus, dass Authentizität als Beschreibungskategorie mit der konsequent fortschreitenden Entzauberung von Welt in die Asservatenkammer der Kulturgeschichte durchgereicht werden könne. Diesbezüglich war ich mir nicht so sicher.
Mein Interesse bestand zunächst darin zu verstehen, wie es sein kann, dass man sich von dem Authentizitätsversprechen (eines musealen Gegenstands, eines Kunstwerks, einer theatralen Aufführung, eines dokumentarischen Films) selbst dann affizieren lässt, wenn man um all seine historischen, kulturellen und sozialen Vorbedingungen weiß, sozusagen wider besseres Wissen und das vielleicht sogar mit Genuss. Jean-Louis Comolli hatte im Kontext der Apparatus-Theorie über das Kino und die Realitätseffekte des Films etwas Vergleichbares beschrieben: »[T]he spectator is anyhow well aware